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Intro 2002 ff.                                              Seite A48a.x
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Pulcinella: Druckpartituren (Orchesterwerke) bis 2002, Editorisches 5


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                          In Vorbereitung
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Zum Inhalt: Beschreibung der Partitur-Druckstufe 1924 (Ballett, Orche-
stersuite), Vergleich mit den revidierten Partituren: ein umfangreicher
dokumentarischer Überblick mit vielen Notenbeispielen und mindestens
zwei Tafeln (Partiturausschnitte, Schallplattentaschen, Plattenetikette
u.a.). Einiges zu diesen Themen findet man bereits in bisher geliefer-
ten Texten, zu zwei Plattenhüllen siehe unten als Vorschau die Front-
seiten).

   Diskutiert werden auch die beiden mit der Pulcinella-Quellenthematik
befaßten Referenzarbeiten von Barry S. Brook, 1988, und Maureen A.
Carr, 2010 (bibliographische Angaben siehe unten). Beide Beiträge sind
in höchstem Maß wichtig und hilfreich, aber sie haben auch ihre Schwä-
chen.
   Und diese zeigen sich besonders krass im Bereich der Literaturaufar-
beitung, hier, soweit die Entwicklung der Vorlagenforschung betroffen
ist, mangelt es gehörig an historisch-methodischem Überblick, und somit
natürlich auch an Einsatz. Mit Folgen! Doch derlei Defizite in Standard-
werken sind günstig, denn so bleiben ein paar Lazarus-Brosamen übrig.
   Bei Brook kommt noch hinzu, daß sein Artikel vor Fehlern aller Art
nur so strotzt. Er wurde ganz offensichtlich unter massiv pressierendem
Zeitdruck erstellt, oder besser gesagt: abgeliefert, wobei, nach vor-
liegenden Unterlagen zu urteilen, diesen Zeitdruck so etwas wie exi-
stentielle Gründe verursacht zu haben scheinen. Inwieweit hierüber eine
Darstellung den Versuch wagen soll, Licht ins Dunkel bringen, ist der-
zeit noch nicht entschieden. Auf jeden Fall wird eine Fehlerliste ge-
liefert, ihr Ausmaß ist, wie gesagt, beträchtlich. Eine unglaubliche,
zutiefst sonderbare, bizarre Sachlage.
   Zu Carrs Sammelband: Für eine Dokumentation dieses Anspruchs, die
zudem in Europa wohl zwei- bis dreihundert Euro kostet, enthalten die
darin wiedergegebenen Arbeiten Carrs zu viele Fehler (darunter grotes-
ke), hinzu kommen als nahezu ständige Begleiter lästige Unaufmerksam-
keiten und Ungeschicklichkeiten (ungenaue bibliographische Angaben,
unpräzises Zitieren, Detailangaben mal korrekt mal fehlerhaft, inkon-
sequente Abbildungsuntertitelungen mit der Tendenz zum Wirrwarr,
Fehlen der Titelseite der laut Brook mit "Sinfonia per Violoncello e
Basso di G.B. Pergolesi" bezeichneten Transkription, fehlende Schrei-
berzuordnungen u.a.). Ob alldem in einem eventuellen Nachdruck abge-
holfen werden kann, etwa durch eingeklebte Errata-Zettel, ist eine
schwierig zu beantwortende Frage, denn in Carrs Haupttext müßte allein
schon das lange und zentrale Kapitel "The Eighteenth-Century Sources"
sehr stark bearbeitet werden. Hier reiht sich nämlich oft streckenweise
Versehen an Versehen.
   Ein fatales Manko entstand auch dadurch, daß sich Carr strukturell
und inhaltlich eng an Brook anlehnte, das ist zwar für Studien eine
große praktische Erleichterung (Carr sah das richtig), doch führte
diese Vorgehensweise andererseits dazu, da unkritisch angegangen, daß
Brooks Mangel an Literaturrecherche und -aufarbeitung unerkannt blieb -
was sich dann eben auch bei Carr von vornherein als nicht förderlich
auswirkte.
   Es gibt auch blanke Abschreiberei, dazu noch blinde, und dies wirkt
überaus irritierend. Hierzu soll als klassischer Fall die Sachlage rund
um die sogenannte Arie der Nina aus Pergolesis musikalischer Kommödie
in drei Akten Lo frate 'nnamorato angesprochen werden: Zwei, zwar
scheinbar verwandte, aber doch weitgehend verschiedene, Versionen sind
mit der gleichen Ortszuordnung Akt III, Szene 3 ("act 3, scene 3") in
Carr 2010 als Faksimiles abgedruckt. Die eine Version besteht im Kern
aus einem kurzen Liedchen (Sento dire no' nce pace), die andere dagegen
ist eine lange Arie (Suo caro dolce amore). Erstaunlich ist nun u.a.,
daß, abgesehen von kleinen Übertragungsdifferenzen bzw. -fehlern, beide
die gleichen 26 Einleitungstakte aufweisen. Noch erstaunlicher ist
aber, daß trotz der unübersehbaren Verschiedenheit der Vokalteile von
Carr behauptet wird (S. 12), "Nina's [...] aria was transcribed twice",
und dementsprechend an anderer Stelle, die Abschrift mit dem Liedchen
sei ein "duplicate" (S. 13). Das allerdings ist leider ein Irrtum, doch
der ist nicht neu, er steht so schon wortwörtlich in Brook 1988: Dort
ist - auf der "Grundlage" weiterer Irrtümer - von einer "duplication"
die Rede, wenn auch drolligerweise vom Bezugspunkt her umgekehrt ge-
meint (S. 55). Übrigens wird in diesem Zusammenhang nicht diskutiert,
weder von Brook und (natürlich) auch nicht von Carr, daß in beiden
Kopien "Nino" angegeben ist, nicht aber "Nina".

   Bemerkung: Das "kurze Liedchen" stammt aus dem Accompagnato-Rezita-
   tiv des Ascanio, Akt III, 5. Scene; siehe hierzu die bereits gelie-
   ferte Satz- und Quellenaufstellung und die nur das Liedchen betref-
   fende Kopistenabschrift, die in Carr wiedergegeben ist (beachte
   hierbei: der jeweils dazugehörige Hinweis ist korrekt auf Seite 265
   ff.: "act 3, scene 5, Arioso (Ascanio)", aber fehlerhaft auf Seite
   13: "act 3, scene 3, Aria (Nina)". Zur Bezeichnung "Arioso": In den
   beiden Faksimiles ist "Arioso" nicht angegeben, dort steht einzig
   die Tempovorschrift Andante. Höchstwahrscheinlich wurde der Begriff
   von Brook übernommen, doch taucht er schon früher auf, z.B. in Hel-
   mut Huckes 1966 abgeliefertem, 1969 veröffentlichtem Artikel über
   die Pulcinella-Quellenlage (Hucke war wie Brook Pergolesi-Forscher,
   zur Quellenangabe siehe frühere Ausführungen).

   Die angesprochene 26taktige Einleitung zu dem Liedchen "Sento dire
no' nce pace", das, wie gesagt, aus dem Rezitativ des Ascanio stammt,
gehört in Wirklichkeit NUR zur Arie der Nina (bzw. des Nino). Somit
liegt in diesem Fall ein, wie auch immer zustande gekommenes, "patch-
work" vor, bestehend aus der Einleitung zu dieser Arie, dem Liedchen
"Sento dire no' nce pace" und den letzten sieben Takte der Einleitung
als Schluß {*1}. Interessant ist nun: Es war eigentlich diese "Tertiär-
quelle", an der entlang Strawinsky seine Bearbeitung schuf. In der Par-
titur ist das die Partie Ziffer 104 bis Ziffer 112 Takt 2, nicht wie
Carr auf Seite 13 ihrer Dokumentation angibt: Ziffer 108 bis vor Ziffer
112 (Weiteres zu alldem in Vorbereitung).

   {*1} Diese Einrahmung nach Sandwich-Art ist sicherlich von der Arie
   der Nina (Faksimile-Titeleite: "Aria Nino") hergeleitet. Jedoch
   nicht von der äußeren Form her, denn laut der Kopistenabschrift
   weist die Arie keinen speziellen Schluß auf. Zudem wird sie zwar
   wiederholt, allerdings nicht zusammen mit ihrer Einleitung. Gere-
   gelt wird das (laut Abschrift) durch das Segno-Zeichen nach der
   Einleitung bzw. zu Beginn der Arie und durch die Vorschrift dal
   segno am Schluß. Somit ergibt sich das Formschema E + A + A, nicht
   aber E + A + E + A, wovon ein E + A + E abgeleitet werden könnte.
   Als Grundlage für eine solche Form dürfte vielmehr eine auffällige
   Detaillierung in der Arienbegleitung gedient haben, hier wird
   nämlich der siebentaktige Schluß der Einleitung mehrfach (teils
   leicht gekürzt) und auch den Schluß der Arie bildend wiederholt.
   So kam wohl die Anregung für die Einrahmung auf. Im übrigen bietet
   auch das Accompagnato-Rezitativ des Ascanio für eine Herleitung
   keinen Anhaltspunkt, zumal das Liedchen das Rezitativ abschließt.

   In Richtung der A-R Editions, Verlag der Carrschen Dokumentation,
sei angemerkt, daß erstens die Wiedergabequalität der Skizzen - im
Druck wie auf der beigefügten CD - über weite Strecken nur als unbe-
friedigend oder mangelhaft bezeichnet werden kann, daß zweitens die
Faksimiles im Buch durchweg nur schwarzweiß abgebildet sind, und daß
drittens das auf der vorliegenden CD für die Fotos der "Stefan Zweig
Collection" einsetzbare Darstellungsprogramm nicht fehlerfrei funk-
tioniert. Erstaunt ist auch zu fragen, wieso nur Notenmaterial der
British Library auf die CD übertragen wurde, nicht aber auch solches
der Sacher Stiftung Basel. Und schließlich: Wie ist möglich, eine
solche Dokumentation, die einige allein schon vom Anspruch her grund-
legende Beiträge enthält (mit teilweise sehr umfangreichen Fußnoten-
anhängen), ohne entsprechende Register zu veröffentlichen? Im WORD-
Zeitalter eine nicht begreifbare Unterlassung.

   Barry S. Brook, Stravinsky's Pulcinella: The « Pergolesi » Sources
      In: Joël-Marie Fauquet (Hg.), Musiques Signes Images, Genf 1988
          (Éditions Minkoff, Liber amicorum François Lesure), 298 [299]
          S., Abbildungen, Notenbeispiele
          Brooks Artikel: S. 41-66

   Maureen A. Carr, Eighteenth-Century Sources and Stravinsky's Use
      of These Models / Pulcinella (1919-1920) [I]; The Sources,
      Sketches, and Tables [II]
      In: Maureen A. Carr (Hg.), Stravinsky's Pulcinella: A Facsimile
          of the Sources and Sketches
          Middleton, Wisconsin 2010 (A-R Editions), IX, 432 [438] S.,
          Faksimiles, Abbildungen, Notenbeispiele, CD
          [I]: S. [3]-39; [II] (inklusive Appendices A und B anderer
          Autoren, S. 427 ff.): S. [63]-432 [433]

   Zur Person Maureen A. Carr, Internet-Mitteilung vom 4. November 2011
(live.psu.edu/story/56220, kopiert am 2.2.2012):

   Maureen Carr, distinguished professor of music at
   Penn State, recently received a citation of special
   merit for her work as editor and contributor to
   "Stravinsky’s Pulcinella: A Facsimile of the Sources
   and Sketches" (A-R Editions, 2010) from the Society
   for Music Theory (SMT) at its national meeting in
   Minneapolis, in October.

   Eine erstaunliche Rezension der Carrschen Dokumentation lieferte
Samuel N. Dorf ab (in Journal of the American Musicological Society,
Berkeley, CA, Volume 65, Number 1, Spring 2012, S. 272-284, Beitrag
umfaßt zwei Besprechungen, Carr: S. 272-278). Erstaunlich deshalb, weil
der Verfasser in der Arbeit Carrs (gemeint ist, in den von ihr selbst
verfaßten Teilen des Buchs) nur einen einzigen Schwachpunkt sieht, und
der offenbare sich bei der Handhabung der gewählten Organisation: "...
this impressive collection has opened the door. Navigating the material
at hand, however, is a different story. Carr has unfortunately con-
structed a painfully complex system of abbreviations." "Painful", das
stimmt, denn das Arbeiten mit der eigentlichen Dokumentation - das Auf-
suchen von Faksimiles, Durchforsten von Listen usw. - fordert in der
Tat einiges an gutem Willen ab, und dies veranschaulicht Dorf auch an
einem Beispiel. Ansonsten singt er nur Lobeshymnen; nicht einer der
zahlreichen Fehler (auch nicht der sachlich wirklich gravierenden Art)
kommt zur Sprache. Sich zu wundern darüber, ist das Mindeste: Kann der
Rezensent es nicht besser? Hat er überhaupt mit der Dokumentation
genügend gearbeitet? Oder liegt vielleicht eine Ergebenheits- bzw.
Gefälligkeitsbesprechung vor? Eine Überraschung wäre das nicht, denn
derlei ist im geisteswissenschaftlichen Geschäft kein selten einge-
schlagener Weg. Wie auch immer, eine kritische Diskussion ist unumgäng-
lich, ebenso eine Auflistung der Unzulänglichkeiten. Dies aber wird
Carr nicht gerade erfreuen, Dorf wohl auch nicht.
   Ob es noch eine weitere längere Besprechung der Dokumentation Carrs
gibt, ist mir bis jetzt (Dezember 2012) nicht bekannt.

_________________________________ Columbia MS 7093
Igor Strawinsky, Suite de Pulcinella, Columbia MS 7093, Hülle, vorne, P 1968
LP 30 cm, stereo, Columbia Masterworks MS 7093: Stravinsky Conducts Histoire du Soldat Suite / Pulcinella Suite Columbia Symphony [Orchestra] / Columbia Chamber Ensemble Aufgenommen 1961 (Histoire du Soldat Suite), 1965 (Pulcinella Suite), veröffentlicht 1968 Erstausgabe: Graues Etikett mit zwei "Augen" {*1} Beachte: Die 1961er Aufnahme der Histoire du Soldat Suite war schon vorher erschienen. (Details in Vorbereitung) Decca SXL 6230
Igor Strawinsky, Pulcinella-Ballett, Decca SXL 6230, Hülle, vorne, P 1966
LP 30 cm, stereo, Decca (FFSS) SXL 6230: Stravinsky Pulcinella [Ballet] Ernest Ansermet / L'Orchestre de la Suisse Romande Aufgenommen 1965, veröffentlicht 1966 Erstausgabe: Schwarz-silber Etikett mit Breitband-Logo, Rille und 'ORIGINAL RECORDING BY' zwischen 9 und 12 Uhr {*2} (Details in Vorbereitung)
{*1} {*2} Übersetzungen zweier Begriffe aus dem anglo-amerikanischen Sammlerjargon: "Gray two eyes label" (auch: "gray 2-eye [sic] label") und "Black & silver wide band label, with groove and 'ORIGINAL RE- CORDING BY' between 9 and 12 o'clock". Online: 27.5.2011 (Ausführungen zu Brook und Carr: 11.11.2012, zu Dorf: 2.1.2013), Fassung 1.50, Stand: 5.4.2013 [intro04q]

Intro 2002 ff., Stand siehe Teil 10

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