Und außerdem Seite E?
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Beachte:
Gesamter Beitrag (Teile 1 bis 9) in Überarbeitung
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Nachtrag zum Spiegel-Artikel (2)
B) Verwittert - aber vielleicht Petri oder Kempff
Im Spiegel-Artikel gibt es ein paar komplett im Rätsel verharrende
Stellen, eine davon ist die folgende:
Album Nr. 1, verwittert von der Feuchtigkeit und den
Temperaturunterschieden auf dem Dachboden der Besymen-
ski-Datscha, enthält nichts sonderlich Überraschendes:
die Klaviersonaten opus 78 und 90 von Ludwig van Beet-
hoven zum Beispiel oder [...] (Fortsetzung des Zitats
siehe oben unter A, Tietjen)
Opus 78 und 90: Zunächst denkt man an das Electrola-Album "Artur
Schnabel, Band I", siehe oben Foto 2. Das aber ist eindeutig nicht
"verwittert", ganz im Gegenteil, es sieht gut erhalten aus. Stecken
vielleicht Platten davon in einem anderen Album drin? Kann sein, kann
auch nicht sein.
Welche Alben wurden eigentlich in der einstigen (vollständigen)
Moskauer Nikilona Gora-Fotogalerie gezeigt, die wirklich mitgenommen
aussahen? Es waren drei. Zwei auf Foto 5: Je ein Telefunken- und
Electrola-Album. Auch auf Foto 12 ist ein stark beschädigtes Album zu
sehen, hierbei könnte es sich aber um das auf Foto 5 gezeigte Telefun-
ken-Album handeln. Irgendwelche Schlüsse kann man aus diesen Beobach-
tungen nicht ableiten.
Wir wollen einmal annehmen, daß das "Schnabel-Album" vollständig ist
und auch, daß der Nachlaß keine doppelten Platten enthält. In diesem
bereinigten Fall stünden nach Lage der Dinge überhaupt nur zwei Möglich-
keiten zur Auswahl: Egon Petri und Wilhelm Kempff. Petri spielte die
beiden Sonaten für die englische Columbia ein, wobei über das Lindström-
Electrola-Konglomerat der EMI zumindest Opus 78 als deutsche Pressung
erhältlich war. Einzelheiten:
Opus 78: Columbia LX 576 (England, veröffentlicht spätestens Februar
1937), Columbia LWX. 162 (Deutschland, Katalog siehe unten). Opus 90:
Columbia LX 544/545 (England, veröffentlicht spätestens Dezember 1936,
Import ohne weiteres möglich). Format: 1 bzw. 2 30-cm-Platten. Aufnah-
medaten sind nicht bekannt, aber nach aller Erfahrung kann davon aus-
gegangen werden, daß beide Einspielungen im Herbst 1936 entstanden
(weitere Columbia-Ausgaben siehe Clough/Cuming, WERM).
LWX. 162 (Opus 78) ist verzeichnet in:
Columbia Electrola Haupt-Katalog 1937/38
Dieser Katalog enthält alle bis 30. September 1937 erschienenen,
noch geführten >Electrola<- und >Columbia<-Musikplatten ausschl.
[ausschließlich] Tanzplatten
Es folgen zwei Zitate aus Rezensionen, die zeigen, welche Wertschät-
zung Petri erfuhr. In der Zeitschrift "Die Musik" ist LWX. 162 nicht be-
sprochen worden (gezielte Recherchen über dieses Blatt hinaus werde ich
nicht betreiben).
LX 544/545: Op. 90
[...] played by a pianist who more often wins admiration
by epic than by idyllic feats. Mr. Egon Petri as paci-
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fist is genuine and effective; he soothes his style with-
out losing his vitality...
W. [William] McNaught
In: The Musical Times, London, Januar 1937 (Vol. 78, No. 1127,
Abteilung: Gramophone Notes), S. 27
LX 576: op. 78
[...] Egon Petri's tone and style, which can encompass
the epics of piano-playing, are scaled down beautifully
[...] The delicate, blandly cheerful work is interpreted
and phrased and executed to a nicety. Like a good boy,
Petri repeats both parts of the first movement.
W. [William] McNaught
In: The Musical Times, London, March 1937 (Vol. 78, No. 1129,
Abteilung: Gramophone Notes), S. 236
Der zweite Fall wäre Kempff. Seine Einspielungen waren im Inlands-
wie im Auslandssortiment der Deutschen Grammophon enthalten.
Inland (Deutsche Grammophon):
Opus 78: H 47014; Opus 90: H 47015 und HM 57017
Alle Platten sind nicht in Clough/Cuming (WERM) verzeichnet, im fol-
genden Grammophon-Katalog von 1938 aber sehr wohl:
"Grammophon" / Die Stimme seines Herrn / Schallplatten-Sonderver-
zeichnis 1938 / enthält die Neuaufnahmen bis einschließlich August
1938 (Fassung des Titelblatt)
Ausland (Polydor):
Opus 78: 90193 L; Opus 90: 62639 L und 66712 LM
Alle Platten sind in Clough/Cuming (WERM) und im folgenden Polydor-
Auslandskatalog von 1938 verzeichnet:
"Polydor" Haupt-Katalog [1938] / enthält alle bis Juli 1938 erschie-
nenen "Polydor"-Schallplatten.
Gegen Kempff spricht, daß in der Moskauer Fotogalerie keine Anzeichen
von Alben (oder auch Platten) der Deutschen Grammophon zu sehen sind
(waren). Das ist überhaupt ein seltsamer Punkt. Denn die Deutsche Gram-
mophon gehörte im "Dritten Reich" zu den drei großen Schallplattenher-
stellern, die anderen beiden waren Telefunken und der Lindström-Electro-
la-Columbia-Komplex. Seltsamerweise scheinen aber nur von diesen beiden
Herstellerhäusern Platten in Nikolina Gora zu sein {*1}. War im "Führer-
bunker" die Kiste mit DG-Platten schon "vergeben"? Hier sollte man wis-
sen, daß in damaliger Zeit Platten sehr oft nach Etiketten (und Bestell-
nummer-"Kreisen") aufbewahrt wurden. Diesem sehr einfachen, aber höchst
effektiven Sortierprinzip begegnet man hin und wieder auch in Zeit-
schriften, indem dort die Rezensionen sortiert abgedruckt werden, sor-
tiert nach Deutsche Grammophon, Lindström, Telefunken usw. Warum also
sollte das nicht auch im "Führerbunker" möglich gewesen sein? Man
beachte, die Katalogisierung mit Hilfe der "Führer- / hauptquartier"-
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Aufkleber spricht nicht von vornherein gegen eine mögliche Grobsortie-
rung. Was mich aber besonders interessieren würde, das wären die
Karteikarten.
{*1} In einer amerikanischen Privatsammlung, einer Ansammlung von 23
Platten aus Hitlers einstigem "Berghof" am Obersalzberg bei Berchtes-
gaden, ist dagegen ein Grammophon-Exemplar dabei. Unter den Platten
des Diktators keine Erzeugnisse der Deutschen Grammophon vorzufinden,
das kann man sich auch in der Tat nicht vorstellen. Hitlers "Berghof-
Sammlung" (sie hatte einige Außmaße) wurde 1945 vor der Sprengung und
Inbrandsetzung des Gebäudes von der US-Armee in Beschlag genommen
(konfisziert, aber auch verteilt). Die von dort stammenden 23 Platten
tragen (offenbar alle) einen "Berghof"-Aufkleber, der genau der Mach-
art entspricht, die der "Führer- / hauptquartier"-Aufkleber aufweist.
Und obwohl diese beiden Aufkleber eigentlich zwei ganz unterschied-
liche Sammlungen bezeichnen, gleichen sie einander doch wie ein Ei
dem anderen. Mit anderen Worten: Sie kommen offensichtlich aus der
gleichen Druckerei und sind wohl auch gleichen Alters. Ein großer
Teil der "Berghof-Sammlung" kam in den Besitz der Library of Congress
in Washington, D.C. Andere Teile sind (versprengt) in Privatbesitz.
Gelegentlich werden solche Platten, die einen entsprechenden Auf-
kleber tragen, auch zum Verkauf angeboten. Von der oben genannten
kleinen Ansammlung habe ich Fotos. Somit werde ich wohl über kurz
oder lang einen Identifikationsversuch starten (der, wie es scheint,
nicht viel Arbeit macht).
Mittlerweile (30.12.2007) besitze ich auch die Abbildung einer Odeon-
Platte mit einer "Berghof"-Nummer, die die mir bislang bekannte
(erstaunliche) Nummernhöhe um ungefähr das Doppelte übertrifft. Die
78er ist leicht zu identifizieren, selbst das Aufnahmedatum läßt sich
auf den Tag genau bestimmen.
Es folgen nun zu den frühen Kempff-Einspielungen der beiden Sonaten
einige diskographische Einzelheiten (z.B. Matrizen- und Seitennummern).
Kempff nahm die Sonate in e-moll op. 90 schon in der "akustischen
Zeitrechung" auf, nach Frank Forman veröffentlicht in der Zeitspanne
nach September 1924 und vor Dezember 1925. Sein Vorschlag für die Ein-
spielungsdatierung lautet: "probably late 1924". Vier Jahre später,
1928, entstand die nächste Aufzeichnung, diesmal "elektrisch". Und diese
Jahresdatierung trifft auch auf die früheste Einspielung der Sonate Fis-
dur op. 78 zu.
Opus 90
Polydor (akustische Einspielung) {*1}
Bestellnummer Matrizenummern Katalognummern (Seitennummern)
62491 (25 cm) 3311 ar / 3312 ar B 7012 / B 7013
66039 (30 cm) 1719 as / 1720 as B 27058 / B 27059
{*1} Nicht in Clough/Cuming (WERM), weil akustische Aufnahme
Grammophon (elektrische Einspielung)
Bestellnummer Matrizenummern Katalognummern (Seitennummern)
H 47015 (25 cm) ? / 1402 bk B 7058 / B 7059
HM 57017 (30 cm) 835 bm / 836 bm B 27232 / B 27233
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Polydor-Bestellnummern siehe oben
Opus 78
Bestellnummer Matrizenummern Katalognummern (Seitennummern)
H 47014 (25 cm) 3088 / 3089 ?
Polydor-Bestellnummern siehe oben. Die Platte erschien in den USA auf
Brunswick 85011.
Quellen: u.a. Frank Forman, Wilhelm Kempff Discography, Version 2,
27. Mai 1995 (Internet); derselbe, Acoustic Chamber Music Sets
(1899-1926), A Discography, First Web Version, 9. August 2003
(Internet)
Sollte überhaupt ein Bezug zu dem vermaledeiten "Führerbunker" be-
stehen, dann dürften wohl nur die elektrischen Aufnahmen in Frage kom-
men.
Zum Abschluß zwei Zitate. Zunächst eine Passage aus Formans Kempff-
Diskographie (Fassung siehe oben). Es ist die Einleitung. Danach folgt
eine Stelle aus der Deutschen Tonkünstler-Zeitung vom Dezember 1937, die
einen doch sehr stutzig macht. Es kommen Gedanken auch dahingehend, der
nachfolgende Titel "The quiet pianist" sei für die Zeit zwischen 1933
und 1945 wohl nicht so geeignet.
THE QUIET PIANIST
We often call opposite things which are very much
alike. Thus both Protestants and Catholics are Christians
and both liberalism and conservatism are Western
political philosophies. And Wilhelm Kempff and Wilhelm
Backhaus are two German pianists whose differences
very much complement each other.
Backhaus' playing can be characterized as a masculine
carving of solid granite. Yet within this huge, rugged
framework, Backhaus is a subtle interpreter. He plays, it
might be said, from the outside in. You might say he is
the loudest of pianists, even in the quietest passages,
because he plays with the most authority.
Kempff is the opposite, or as it might be better put,
the complement of Backhaus in German piano playing. With
Kempff, it is not the loudness but the quiet that one
hears. There is a *suspended* *tension*, a calm, and a
holding back between each note and the next. Under
Backhaus' playing there is a feeling of inevitable
movement; with Kempff's an unfolding. He plays, as it
were, from the inside out.
Weiteres zu Kempff im "Dritten Reich" in Vorbereitung
DP, 3.10.2007 (Datierung der Erstfassung dieses Teils)
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C) "Soldatenart" im "Führerbunker"
Aus dem Spiegel-Artikel gehen nur drei "Führer- / hauptquartier"-
Nummern hervor: 779 und 840 (beide im Text), 727 (als Foto). Sicher-
lich, das war eine erste Bekanntmachung, ein Tagesartikel, kurzangebun-
den (etwas Sensationsjuckreiz war auch dabei). Eine nüchterne diskogra-
phische Dokumentation aber, die es vielleicht einmal geben wird, müßte
selbstverständlich anders vorgehen.
Näher angesehen wurden bereits "727" und "840", nun zu "779": Der
Spiegel-Aufsatz endet mit einer Anspielung, wobei als Mittel ein Vor-
tragssauflied dient, das einst bei Gelagen von Männergesangsvereinen
(oder vergleichbarem Tun) in Festzelten, Wirtshaussälen, -kollegs usw.
"zur Aufführung kam". Gemeint ist das Lied "Wenn man beim Wein sitzt"
(zum Text siehe unten), und der hier für das Thema entscheidende Teil
der Anspielung lautet wie folgt:
So [= "Wenn man beim Wein sitzt"] heißt ein freches Sol-
datenlied, das der Braunschweiger Hofkapellmeister Franz
Abt im 19. Jahrhundert vertonte. Die Platte trägt die
Nummer: "Führerhauptquartier 779".
Nehmen wir das Gesagte als Tatsache: Im "Führerbunker" war das "Trin-
klied" also (Trinklied: so der Gattungsbegriff), und so kann man sich
durchaus vorstellen, wie Platte "779" in Führerhauptquartieren auf
einem modernen Elektro-Plattenspieler samt Radioverstärkung bei gesel-
ligen Terminen zum Vergnügen beiträgt. [In der Erstfassung dieser Ein-
schätzung stand: "... zum Vergnügen von Massenmördern beiträgt." Das
jedoch ist eine Formulierung, die nicht gangbar ist. Denn wie die Lek-
türe etlicher autobiographischer Darstellungen zeigt, sollte die Sach-
lage genauer benannt werden. Zwar trifft "Massenmörder" auf Hitler,
Bormann, Goebbels und dergleichen Nazi-Gestalten zu, doch bedarf eine
Aussage über Hitlers Umkreis in den militärischen Quartieren wie auch
auf dem "Berghof" im Führersperrgebiet am Obersalzberg einiger Unter-
scheidungen. Denn dazu zählten neben offenkundigen Tätern auch Bedien-
stete, Adjuntanten, Diener, Ordonnanzen, Offiziere, Wehrmachtsangörige
aller, auch einfacher, Dienstgrade, SS-Anhörige diverser Grade, Büro-
angestelllte (Sekretärinnen) usw., auf dem Berghof sogar Privatpersonen,
wie Ehefrauen, Eva Brauns Freundinnen, Köchinnen, Gärtner, Dienstmäd-
chen und sogar Kinder. Zudem ist nach den Aussagen der Quellen ziemlich
unwahrscheinlich, daß beispielsweise Hitler an einer solchen Platte
überhaupt Interesse gehabt haben könnte. Jedenfalls kaum mehr in der
Zeit als er zum "Staatsmann" aufstiegen war. 15.1.2010]
Zur elektrischen Wiedergabeform: Das Abspielen mit einem Trichter-
grammophon, also per akustischer Schallverstärkung, war in diesen Krei-
sen zu dieser Zeit eigentlich obsolet, das gilt auch für die Wieder-
gabemöglichkeit mit dem noch weitverbreiteten Koffergerät, wie es etwa
in der Sommerfrische verwendet wurde. In der Tat geistern in diesem
Punkt seltsame Vorstellungen herum, das zeigt z.B. das Hochromantik und
Nostalgie ausstrahlende Foto zum Beitrag der Deutschen Welle vom 6.
August 2007: Hitler's Unearthed Music Collection Yields Surprising
Finds (DW-World.de, siehe oben die Link-Liste); so etwas ist nicht nur
in höchstem Maß unrealistisch, es ist auch erschreckend deplaziert. Von
solch einer Stufe der technischen Ausstattung sollte man nicht auszu-
gehen, in den Führerhauptquartieren war man mit Sicherheit auf dem
neuesten elektrischen Abtast- und Verstärkungsstand, zudem gab es auch
damals schon (und nicht erst in den 50er Jahren) das Statussymbol
"Ensemble": Radiogerät und der passende Plattenspieler dazu, selbst
Plattenspielertruhen gab es schon. Und auf dem Berghof war man allemal
zeitgemäß, modern eingerichtet, die Existenz einer elektrischen Anlage
dort ist nachweisbar und als solche auch erwähnt.
Welche Platte könnte es aber nun gewesen sein? Im Spiegel-Artikel
steht nichts dazu. Doch nach einigen Recherchen fand ich acht Platten
mit diesem Lied. Es ist anzunehmen, in der Schallplattengeschichte bis
1945 sind das alle, hoffentlich. Die ganz frühen kommen als "Führer-
bunker-Verschönerung" wohl nicht in Frage, und damit fiele die engere
zweifelhafte Wahl auf Schlusnus (1925), Rehkemper (1929) und Reinmar
(1935). Für alle drei ist unten in der Liste der acht Schellacks jeweils
eine CD-Veröffentlichung angegeben, aus der Reihe, wie sinnig, "Lebendi-
ge Vergangenheit".
Zur Liste ein paar einführende Worte: Die angeführten diskographi-
schen Details stammen teilweise aus in der Datenbank des Deutschen
Rundfunkarchivs vorgefundenen Erfassungen. Vieles wurde aber auch aus
unterschiedlichsten, teils sehr flüchtigen Quellen zusammengesucht, z.B.
aus Internet-Angebotslisten. Man beachte besonders: Die Angaben sind
weder vollständig, noch erheben sie in allen Punkten den Anspruch der
Fehlerfreiheit. Es wurde eingesammelt, aus Sekundär- und Tertiärquellen,
was zu sammeln war oder dienlich sein könnte. Sicherlich wird etliches
zu verbessern sein. So ist denn auch angegeben, ob die Möglichkeit
besteht, die eine oder andere Platte, die Primärquelle also, bei Gele-
genheit einzusehen ("78er-Standort bekannt").
Das Lied war als Einlagelied gedacht, einzusetzen im 3. Akt der Oper
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"Das Glöckchen des Eremiten", eine deutsche Übersetzung der komischen
Oper in drei Akten "Les Dragons de Villars" von Louis Aimé Maillart,
Libretto: Viktor E. Nessler (Uraufführung 1856 in Paris). Von August
Kopisch, dem Dichter des Liedtextes, stammt das wohlvertraute, 1836
entstandene Kindergedicht "Die Heinzelmännchen zu Köln": Wie war's in
Kölle doch vordem / Mit Heinzelmännchen so bequem (mein Wortlaut).
Irgendetwas Schmieriges, Chauvinistisches und dergleichen war mir bis
jetzt weder von Abt noch von Kopisch bekannt geworden. Der unten wie-
dergegebene Text, der aus einer Liedsammlung-Homepage herüberkopiert
wurde (10.10.2007) und von dem ich ausgehe, daß der Wortlaut (wenigstens
einigermaßen) stimmt, macht aber doch betroffen. Im Spiegel-Zitat steht
"freches Soldatenlied". Treffender ist: Es ist reichlich primitiv. Als
"Repertoire-Stück" ist das Lied denn heute wohl auch verschwunden, die
Trauer darüber dürfte sich in Grenzen halten. Angesichts dieser Verges-
senheit vermute ich zudem, daß die Autoren des Spiegel-Artikels den
Text gar nicht kannten (jedenfalls nicht den unten angeführten). Im
übrigen ist mir natürlich unbekannt, in welcher Form der Text auf den
Platten vorkommt. Und ebenso, ob den drei Preiser-CD-Ausgaben ein
kritischer Kommentar beigefügt ist.
Das Lied hat offenbar den Titel "Soldatenart", "Wenn man beim Wein
sitzt" ist der Textanfang (und vielleicht der Untertitel). Die Titelge-
bung ist in den (teils flüchtigen) Daten-Quellen unterschiedlich, es
kommt neben den beiden genannten Titeln auch "Das Glöckchen [bzw. Glöck-
lein] des Eremiten" vor (nicht nur als Zusatz, also als Hinweis auf die
Oper, in einem Fall anscheinend sogar allein).
Komponist, Texter, Titel
(Abdruck des Liedtextes nur aus wissenschaftlichen und diskographi-
schen Gründen)
Franz Wilhelm Abt (1819 - 1885)
August Kopisch (1799-1853)
Soldatenart, Op. 204, Nr. 3
Wenn man beim Wein sitzt
Wenn man beim Wein sitzt: was ist da das Beste?
Anstoßen, austrinken ist das Allerbeste!
Komm, mein lieber Kamerad,
Dein bin ich in Wort und Tat!
Wer das Gläslein heut noch hält,
Weiß nicht, ob er morgen fällt!
Drum, wenn man beim Wein sitzt, ist das Allerbeste:
Anstoßen, austrinken; ja das ist das Beste!
Wenn's vor den Feind geht: was ist da das Beste?
Dreinschlagen, dreinschlagen, ja das ist das Beste!
Haut und hackt man, daß es fleckt,
So erwirbt man sich Respekt:
Jeder, den man niederbrennt,
Macht ein tiefes Kompliment!
Drum, wenn's vor den Feind geht, ist das Allerbeste:
Dreinschlagen, dreinschlagen, ja das ist das Beste!
Flieht uns ein Mädchen: was ist da das Beste?
Festhalten, festhalten, ist das Allerbeste!
Denn dem Weibervolk gefällt,
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Wer da spielt den Herrn der Welt,
Wer nicht lang vorhero fragt,
Und recht küßt, wie's ihm behagt!
Drum flieht uns ein Mädchen, ist das Allerbeste:
Festhalten, festhalten; ja, das ist das Beste.
Elektrische Einspielungen (= mittels Mikropohon, "Elektroschnitt")
Aufnahme 1:
Heinrich Rehkemper, Bariton, Kammersänger (National-Theater München)
Orchester der Staatsoper, Berlin
Julius Prüwer
Grammophon (Polydor) 95350 LM
1929 (Berlin)
Mechanical Coypright 1929
Im "Auslandskatalog" verzeichnet:
"Polydor" Haupt-Katalog [1938] / enthält alle bis Juli 1938
erschienenen "Polydor"-Schallplatten.
Aber nicht im "Inlandskatalog" 1938:
"Grammophon" / Die Stimme seines Herrn / Schallplatten-Sonder-
verzeichnis 1938 / enthält die Neuaufnahmen bis einschließlich
August 1938 (Titelgebung zitiert nach dem Titelblatt)
Hauptquellen: Katalog (siehe oben), kein 78er-Standort bekannt
Preiser Records (Orchester, Dirigent, Aufnahmejahr)
Titelgebung: nach Katalog (siehe oben)
Soldatenart (Wenn man beim Wein sitzt), Lied
Einlage zu Das Glöcklein [sic] des Eremiten
CD: Lebendige Vergangenheit (Serie)
Heinrich Rehkemper II, Preiser Records PR 89117, 1996
Aufnahme 2:
Hans Reinmar, Bariton, Kammersänger
Berliner Philharmoniker
Hans Schmidt-Isserstedt, Dirigent
Telefunken E 1832
Matrizennummer: 020670
27. März 1935
30 cm
Etikett: blau
In: Die Ernte, Hauptverzeichnis der Telefunkenplatten 1937/38
Enthält alle bis Ende September 1937 erschienenen Telefunken-
Schallplatten
Hauptuelle: Katalog (siehe oben), kein 78er-Standort bekannt
Preiser Records (Aufnahmedatum)
Ultraphon-Telefunken-Matrizen- und Bestellnummernver-
zeichnis (Kopie des handschriftlichen Originals)
Titelgebung: nach Katalog (siehe oben)
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Wenn man beim Wein sitzt
Einlage a.[aus] "Das Glöckchen des Eremiten"
CD: Lebendige Vergangenheit (Serie)
Hans Reinmar, Preiser Records PR 89112, 1995
Akustische Einspielungen (= mittels Trichter, "akustischer Schnitt")
Aufnahme 3:
Robert vom Scheidt, Bariton
Orchester
Bruno Seidler-Winkler, Dirigent
Gramophone Concert Record. G.C.-4-42234
Manufactured by The Gramophone Co., Ltd. (and Sister Companies)
Matrizennummer: 940 ab
Juli 1904 (Bayreuth, Hotel Sonne)
25 cm, "zweiseitig"
Etikett: schwarz mit Hund (neuere Pressung)
Hauptquellen: Datenbank, 78er-Standort bekannt
Privat-Homepage eines Opernsängers (Aufnahme-
datum, -ort; Ende September 2007 recherchiert)
Titelgebung: nach Datenbank (normierte Titelgebung)
Soldatenart (als Titel angegeben)
Wenn man beim Wein sitzt (als Textanfang angegeben)
Einlage für ... "Das Glöckchen des Eremiten"
(Erläuternder Zusatz zum Werk)
Aufnahme 4:
Leopold Demuth (1861-1910), Bariton
Gramophone Concert Record. G.C.-3-42526 / G.C.-3-42573
(3-42526 = Wenn man beim Wein sitzt)
Manufactured by The Gramophone and Typewriter Ltd.,
and Sister Companies.
1905
25 cm, "zweiseitig" (spätere Ausgabe, nach 1909)
Etikett: schwarz mit aufzeichnendem Engel ("Vor-Hund-Etikett",
black "predog-label")
Hauptquellen: Verkaufslisten im Internet
Titelgebung: Wenn man beim Wein sitzt (laut mehrerer Nachweise)
Das Glöckchen des Eremiten (nur in einem Fall,
worldofgramophones.com, hier allerdings in ver-
stümmelter Form: Das Glocken [sic] des Eremiten,
eingesehen Ende September 2007)
Bemerkung: Die hier angegebenen "Seitennummern" waren ursprünglich
die Bestellnummern der "einseitig" herausgegebenen Platten (frühe
Entwicklungstufe des Schallplatte). Später bei der Herausgabe (Wie-
derveröffentlichung) von solchen Aufnahmen auf einer "zweiseitigen"
Platte wurde lange Zeit der Usus geplegt, die ehemaligen Nummern
beizubehalten. Daher zwei Bestellnummern.
Beachte: Die Zuordnung der Seitennummern bzw. Bestellnummern zu den
Titeln fand ich auch umgekehrt angegeben, also auf Seite 3-42573:
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Wenn man beim Wein sitzt (Was ist richtig?)
Aufnahme 5:
Anton Moser (Reindorf bei Wien, 13.8.1872 - Wien, 1909), lyrischer
Bariton
Columbia Record 12508
Columbia Phonograph Company
Matrizennummer: 12508-1-x
1905 (nicht: um 1900)
30 cm (3:06)
Hauptquellen: www.deutschefotothek.de (Sächsische Landesbibliothek -
Staats- und Universitätsbibliothek Dresden)
www.marstonrecords.com (Plattennummer, Datierung)
Titelgebung: Soldatenart, op. 204
Einlage im "Glöckchen des Eremiten" (in military style)
CD: Mahler's Decade in Vienna / Singers of the Court Opera 1897-1907,
3 CDs (Veröffentlichungsjahr unbekannt, entdeckt: November 2007)
Aus der Präsentation der CD-Produktion (www.marstonrecords.com):
"... Marston is proud to present a Centenary Tribute to the
amazing ten-year directorship of Gustav Mahler in Vienna. Rare
and in some cases unique early recordings of opera and lieder
highlight the vocal artistry of more than fifty Court Opera
stars..."
Aufnahme 6:
Emil Burian (Prag 1876 - Prag 1926), Bariton
Orchester
Odeon 303416 / 303417 (303417 = Wenn man beim Wein sitzt)
Matrizennummer: xBo 2798
1909
25 cm, "zweiseitig"
Etikett: grün/schwarz/gold mit Bild
Hauptquelle: Datenbank, 78er-Standort bekannt
Titelgebung: siehe vom Scheidt
Aufnahme 7:
Josef Burgwinkel (1895-1966), Bariton (National-Theater München)
Frieder Weißmann, Klavier
Parlophon P. 1722-I / P. 1722-II (1722-I = Wenn man beim Wein sitzt)
Matrizennummer: 6805
5. April 1924 (Berlin)
30 cm, "zweiseitig"
Etikett: vermutlich violett/lila mit "L" (= Lindström) in einer
Goldplakette
Hauptquelle: Datenbank, 78er-Standort bekannt
Sieben/Wahl Parlophon I 1990 (Diskographie)
Titelgebung: siehe vom Scheidt
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Aufnahme 8:
Heinrich Schlusnus, Bariton
Orchester
Grammophon 70704 (wohl nicht: 74526)
Matrizennummer: 2237 ax
April/Mai 1925
25 cm
Etikett: rot mit Bild
Mechanical Copyright 1925
Hauptquellen: Datenbank, 78er-Standort bekannt
Preiser Records (Aufnahmedatum)
Titelgebung: siehe vom Scheidt
CD: Lebendige Vergangenheit (Serie)
Heinrich Schlusnus II, Preiser Records PR 89110, 1995
DP, 1.10.2007 (Datierung der Erstfassung dieses Teils)
Weiter
[aussdm07]
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