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Und außerdem                                                    Seite E?
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================================================= Beachte: Gesamter Beitrag (Teile 1 bis 9) in Überarbeitung =================================================
Moskauer Fotos, Einschätzung, diskographische Arbeit (5) Foto 6 (aus dem Internet entfernt) (Erstausgabe: lin_06.jpg, später: justin_jin_hitler_06.jpg) ==================================================================== Der folgende Text zu "Foto 6" ist Teil einer überarbeitung dieses Kapitels, er ist aus Versehen ins Internet geladen worden. Alles ist aber noch in Arbeit. Dies berücksichtige man unbedingt!! ==================================================================== Beachte: Totalrevision des usprünglichen Textes vom August 2007 (bestand nur aus acht Zeilen), 5.1.2009. Das Foto zeigt drei Alben. Zwei davon in weinrotem Leineneinband, sie haben rechts oben "TELEFUNKEN" als Aufschrift; Weiteres ist nicht zu sehen, gibt es vermutlich auch nicht, weil es sich aller Wahrscheinlich- keit nach um Sammelalben, Alben "von der Stange", handelt. Auf diesen beiden Alben liegt ein weiteres, ein aufgeschlagenes, der Einband (nur die Ränder sind zu sehen) weinrot mit einem Schuß Purpur, grüne Platten- taschen mit typisch vorgeprägten Umklappfalzrillen: Electrola, kein Zweifel. Zu sehen sind zudem zwei rote Electrola-Etikette, beide tragen den "Führer- / hauptquartier"-Aufkleber. Gelesen oder entziffert werden konnte bislang so gut wie nichts. Weder die Nummern auf den Aufklebern, noch irgendwelche der auf den Etiketten aufgedruckten, weiterführenden diskographischen Einzelheiten, dazu waren die Formate zu klein. Das Einzige, was sofort klar war, war die Tatsache, daß es sich, von den Etiketten her zu urteilen, um Pressungen von nicht vor 1932 handelt. Denn es war graphisch eindeutig zu erkennen, daß die Ortsangabe für die Electrola Gesellschaft m.b.H nur "Berlin" und nicht "Nowawes und Berlin" lautet (die Electrola-Fabrikation verließ Nowawes 1932, Einzelheiten siehe weiter oben). Da, wie gesagt, sonst nichts Definitives auszumachen war, kein wirklich bedeutsames, zweifelsfreie Detail, blieben über den musikalischen Inhalt nur Mutmaßungen übrig, sie führten aber nie zu einem einigermaßen diskutablen Ergebnis, es gab nur Widersprüche. Das alles änderte sich Anfang November 2008. Die Seite "Hitler's Albums" erschien, bevor sie einige Wochen später vom Netz genommen wurde, in einer neuen Form (= 6er Galerie 2, entdeckt am 14. November 2008, Beschreibung siehe weiter oben). Als besonders günstig erwies sich hierbei das neue Großformat, das man per Klick aufrufen konnte: 850 x 578 Pixel lautete in den ersten Tagen für Foto 6 das Maß, das jedoch ab dem 18. November auf 750 x 510 reduziert wurde, was die Lesbarkeit bzw. Bestimmbarkeit wieder erheblich einschränkt. Beachte deshalb: Die folgenden Erkenntnisse gehen von der größeren Anzeige aus. Aber selbst bei diesem Format ist bei weitem nicht alles leserlich, so daß auch hier noch andere Unterlagen Hilfestellungen leisten müssen (Diskographien, Verkaufskataloge). Klar lesbar bzw. identifizierbar ist "QUINTETT IN C-DUR, Op. [163]", und das ist, im Zusammenhang mit anderen Details gesehen (siehe nach- folgend), eindeutig Franz Schubert zuzuordnen, wobei allerdings die Komponistenangabe "- Schubert -" nicht zu entziffern ist. Zudem ergibt sich, teilweise mit Hilfe damaliger Verkaufskataloge: "PRO ARTE QUARTETT / und Anthony Pini (2. Cello)". Wie sehr also lag meine einstige Speku- lation, die Platten seien "vielleicht aus dem 'Schnabel-Album', siehe Foto 2 und 7" daneben! Zu den Bestellnummern: Es handelt sich um den Satz D.B. 2561-2565, und zu sehen sind daraus die Seiten 2 (rechts) und 9 (links). Von den Bestellnummern ist das zu erkennen: D.B. 2[56]1 und D.B. 2565 Die Matrizennummern unter dem nur erahnbaren "STREICH- / QUINTETT" (links neben der aufgedruckten Nachweismarke "KONTROLLE ELECTROLA URHEBERRECHT ABT.") sind nicht lesbar. Ebenso nicht die Satzangaben, aber es scheint, nach dem, was da schemenhaft auszumachen ist, gegenüber den Angaben der Verkaufskataloge kleine Abweichungen zu geben (siehe unten). Die Seiten 2 (rechts) und 9 (links) tragen, wie gesagt, "Führer- / hauptquartier"-Aufkleber, zu lesen ist: "728" und "73[2]", wobei der Aufkleber auf der Seite 9 linksgezackt und der auf der Seite 2 offenbar rechtsgezackt ist (zur Thematik siehe weiter unten). Durch die Kenntnis der beiden Nummern kann man jetzt nach Adam Riese auch herleiten, daß der ganze Satz die Numerierungen 728 bis 732 aufweist oder aufwies, und so stehen wohl fünf weitere Nummern des "Führer- / hauptquartier"- Schallplattenbestands fest, siehe die Aufstellung weiter unten unter "Video zur Nikolina Gora-Fundsache (1)". "727" ist übrigens die Elec- trola-Platte, von der Foto 7 einen Etikettausschnitt mit einem derzeit noch dubiosen Titelfragment "[... IN C-]MOL[L]" zeigt (siehe unten). Zum Werk, diskographische Übersicht: Franz Schubert (1797-1828) Quintett (Streichquintett) C-dur für 2 Violinen, Viola und 2 Violoncelli, op. posth. 163, D 956, komponiert 1828 Pro Arte Quartet (Pro Arte Quartett): Alphonse Onnou, Violine I, Laurent Halleux, Violine II, Germain Prévost, Viola, Robert Maas, Violoncello I, zusätzlich: Anthony Pini, Violoncello II London, Abbey Road, EMI Studio No. 3, 6. bis 8. März 1935 Erstveröffentlichung: His Master's Voice (GB) GM-298 (D.B. 2561- 2565, manuelle (= normale) Kopplung, spätestens Dezember 1935 erschienen; existiert auch in automatischer Kopplung: GM-298 (D.B. 7940-7944) (The Gramophone Shop, Encyclopedia of Recorded Music, New York 1948; Bennett/Hughes, Voices of the Past, Vol. IV, The International Red Label Catalogue, Book I, DB[-Serie], [Lingfield 1961], dieser Titelnachweis stark verkürzt, keine Album-Angabe). Übernahmen: Electrola (D) D.B. 2561-2565 (Album No. 117); Victor (USA) M-299 (8948-8952) {*1}, AM-299 (8953-8957) {*2}, DM-299 (16928- 16932), jeweils 4seitige Broschüre {*3} {*1} Veröffentlicht spätestens März 1936 {*2} Laut einer Internet-Auktionsliste angeboten in der Pressung (November 2008): Scroll-label, "Z"-type shellac Scroll-label: Scroll = Locke. Bezieht sich auf die Kreiseinfassung der Etikettaufschrift. In Gebrauch in den 1930er Jahren, ist also ein Kennzeichen einer frühen Pressung dieser Aufnahme. Kennzeichen auch für eine "Pre-war"-Pressung, d.h. theoretisch bessere Qualität (z.B. weniger Rauschen). "Z"-type shellac: Anspruchsvolle Pressung Mitte der 1930er bis Anfang 1940er Jahre, meist gekennzeichnet durch ein kleines "z" im Innen- raum (Spiegel). Beachte: Es ist davon auszugehen, daß es auch die M-Ausgabe in solchen Pressungen gab. DM-Ausgaben kamen erst allmählich 1939 und 1940 auf, gab es möglicherweise als "Z"-Pressungen, aber wohl nicht mehr mit "scroll-labels". Die M- und DM-Ausgaben waren höchstwahrscheinlich auch als Nach- kriegspressungen erhältlich, also unter "RCA Victor" (Zusammenfügung auf Etiketten usw. von "RCA" und "Victor" zu "RCA Victor" 1946; zu Victor, RCA und Kopplungen siehe weiter oben unter Lotte Lehmann, in Vorbereitung). Grundlage für die Annahme bildet der Nachweis der Aufnahme in der vom Gramophone Shop herausgegebenen Encyclopedia of Recorded Music (hierzu siehe oben): VM-299† (V = Victor, † = erhält- lich auch in "drop-automatic coupling"). Hinweis: Die "Encyclopedia" ist ein Handelskatalog, er beinhaltet also eigentlich nur Aufnahmen, die auch auf dem Markt sind (der Stand wäre hier also das Jahr 1948). {*3} Clough/Cuming, WERM (= The World's Encyclopedia of Recorded Music), London 1952 f., gibt nur drei Ausgaben an, neben Gramophone (= HMV usw.) DB 2561-2565 und Victor M-299 auch eine australische HMV ED 160/164. Es gab aber sicherlich noch in anderen Ländern Ausgaben. Matrizennummern (nach Andante-CD, sicherlich auf der Grundlage der englischen HMV-Ausgabe, siehe unten): 2EA 1305-2, 2EA 1306-2, 2EA 1307-2, 2EA 1318-2, 2EA 1319-2, 2EA 1320-2, 2EA 1323-2, 2EA 1324-1, 2EA 1321-1, 2EA 1322-2 Beachte: Takes so auch im Bestandsverzeichnis "Historische Tonträger im Deutschen Musikarchiv", Labelkatalog, Band 1, The Gramophone Co. und Schwesterfirmen (Labelgruppe His Master's, Voice), Berlin 1988, für Electrola D.B. 2561-2565 angegeben. Satzbetitelungen nach Electrola-Columbia-Katalogen (Kommentar siehe weiter unten): 1. Satz. Allegro ma non troppo (1. und 2. Teil) D.B. 2561 1. Satz. Allegro ma non troppo (Schluß) D.B. 2562 2. Satz. Adagio (1. Teil) D.B. 2562 2. Satz. Adagio (2. Teil und Schluß) D.B. 2563 3. Satz. Scherzo (Presto) und Trio (Andante sostenuto) D.B. 2564 4. Satz. Allegretto D.B. 2565 Erschienen auf LPs, CDs, z.B.: Andante (Naïve) (F) RE-A-1010, Franz Schubert, Chamber Music, 4-CD Set, Reprint (2nd edition), veröffentlicht 2004, www.andante.com Wann der Electrola-Satz D.B. 2561-2565 in das Electrola-Columbia- Angebot kam, ist noch nicht geklärt, doch im "Hauptkatalog 1936/37 / 3. AUFLAGE" ist er verzeichnet. Nur wann nun wiederum diese 3. Auflage erschien, konnte leider auch noch nicht ermittelt werden. Die sonst übliche Angabe zum Stand hat der Katalog nicht, und das schwierige Unterfangen, die Ausgabe aus sich selbst heraus zu datieren, die Datierung also aus Neuzugängen abzuleiten, steht noch bevor. Zu vermu- ten ist, daß sie im Dezember 1936 erschien, zum Weihnachtsgeschäft vielleicht. Rund fünf Jahre lang, bis 1941, blieb das Streichquintett in den Katalogen. Der mir vorliegende letzte Nachweis befindet sich im 14. Numerischen Verzeichnis der, wie es damals hieß, Electrola- und Columbia-Musikplatten, und zwar in dessen "Zweiter Ausgabe" (Stand: 31. Dezember 1940). Das "15. Numerische ELECTROLA [und Columbia] Verzeichnis" (Stand: 30. November 1941) enthält die Aufnahme dann nicht mehr (weiteres siehe unten). Beachte: Die "Zweite Ausgabe" des 14. Numerischen Verzeichnisses ist natürlich ein Katalog fürs Jahr 1941, auch wenn er als ein solcher so nicht gekennzeichnet ist. Der Hinweis, daß ein spezielles Album mit der Nummer 177 existiert, taucht in den Hauptkatalogen - so weit sie mir vorliegen: 1936/37 3. Auflage, 1937/38, 1938[/39], 1939/40 -, erstmals in dem letztgenannten auf, dessen 1. Ausgabe offenbar auf dem Stand August 1939 ist, wie aus jener Auflage hervorzugehen scheint, die einen "Nachtrag" für die Monate September bis November enthält. Dem entspricht insofern, daß auch das 13. Numerische Verzeichnis (Stand: 31. August 1939) den Hinweis auf das "Album Nr. 177" enthält (beachte aber: numerische Verzeichnisse vor diesem liegen mir nicht vor). Wenn nicht alles täuscht, ist das Album Nr. 177 in dem Dokumenta- tions-Kurzfilm "In Moskau entdeckt: Hitlers Plattensammlung" zu sehen (Link siehe weiter oben in der Link-Sammlung oder weiter unten unter "Video zur Nikolina Gora-Fundsache (1)"). Man konzentriere sich auf den hinteren der auf der Fensterbank liegenden Albumstapel: Das oberste Album ist das "Lehmann-Album" (siehe dazu weiter oben), und das ihm nachfolgende dürfte das Schubert-Album sein (ein Electrola- Album ist das auf jeden Fall). Bei günstigster Stillstand-Einstellung ergeben sich aus der Rückenaufschrift allerlei Anhaltspunkte für eine Titelgebung wie "Schubert Streich-Quintett in C-dur Op. 163". Immerhin entspräche dieser Wortlaut etlichen diesbezüglichen Katalogeinträgen. Vor "Schubert" fällt noch ein unleserliches Etwas auf, das müßte die übliche horizontale Electrola-Albennumerierung sein, hier also etwa (unter einem Abtrennungsstrich): ELECTROLA / ALBUM / No. 177 // Offen- kundig ein schmales Album, den Eindruck hat man auch vom Foto 6 her: Fünf Platten umfaßt der Satz, das würde passen. Zu den oben angegebenen Satzbetitelungen und Seitenaufteilungen: Sie sind den Electrola-Columbia-Katalogen entnommen, beispielsweise dem "Hauptkatalog 1936/37" (3. Auflage, siehe oben). Allerdings weist der Hauptkatalog 1939/40 (Stand: November 1939) den Fehler auf, daß für den 3. Satz (D.B. 2564) außer "Scherzo" nichts weiter angegeben ist (ein Fehler außerdem: op. 63). Diese nackte "Scherzo-Angabe" kann aber wohl übergangen werden, wirkliche Probleme stiftet dagegen die Großansicht des Fotos 6, denn die beiden Etikette der Seiten 2 (rechts) und 9 (links) dürften Inhaltsbetitelungen haben, die den Katalogangaben nicht ganz entsprechen. Manches stimmt wohl, manches kann nicht sein. Eine genaue Entzifferung ist (mir) unter den gegebenen Umständen leider nicht möglich, selbst das größere der beiden Großformate (850 x 578 Pixel) reicht dafür nicht aus. Zu dem, was möglich ist, siehe etwas weiter unten. Überhaupt nicht hilfreich ist das von Bennett und Hughes herausge- gebene Standardverzeichnis der DB-Ausgaben (nähere Angaben siehe oben), es bietet für die Streichquintett-Aufnahme (D.B. 2561-2565) keinerlei weiterführende Informationen. Bezüglich der zehn Seiten und Titelab- fassungen findet man da nur die überaus geistreiche, fünf Zeichen umfassende Angabe: I.-X. Nicht viel besser bedient einen in diesem Punkt auch das oben erwähnte Bestandsverzeichnis des Deutschen Musikarchivs. Es ist die Electrola-Ausgabe zwar angeführt, verschwiegen werden aber die Satz- bzw. Tempobezeichnungen (eine solche Unterlassung ist in der Publika- tion sehr oft anzutreffen). Es heißt stattdessen abgekürzt nur "1. Satz, 1. Teil", "1. Satz, 2. Teil", "1. Satz, Schluß" usw. Demgegen- über zeigen die beiden Etikette auf Foto 6 trotz all der geringen Deutlichkeit dennoch deutlich genug, außer "Satz 1 usw." sind da auch musikalische Satzbezeichnungen aufgedruckt: "Allegro ma non troppo" und "Allegretto" kann man, wenn man's weiß, lesen. Natürlich hat die Andante-CD Satzangaben, sie sind unten wieder- gegeben, wobei die beigefügten Zeiten Interesse halber mitübernommen wurden. Wie zu sehen, scheint aber "Scherzo and Trio" etwas mager ausgefallen zu sein. Ob das so auf der englischen HMV-Ausgabe, der Originalausgabe, stand? Die Frage ist berechtigt, denn man muß wohl davon ausgehen, daß für die Überspielung englische D.B.-Vorlagen verwendet wurden, das jedenfalls scheint die Referenzangabe auf der CD nahe zu legen (Kopien aus der Web-Präsenz am 17.12.2008): HMV DB 2561/2565 (2EA 1305-2, 06-2, 07-2/ 1318-2, 19-2, 20-2/ 1323-2, 24-1/ 1321-1, 22-2) Victor M-299 Titelangaben auf der Andante-CD (nach der Internet-Darstellung, Gesamtzeit: 44'32): I Allegro ma non troppo (14'02) II Adagio (12'24) III Scherzo and Trio (8'56) IV Allegretto (9'16) Die Handschrift des posthum gedruckten Streichquintetts ist nicht überliefert. Insofern nimmt der Erstdruck eine herausragende Stellung bei der Darstellung eines größtmöglich gesicherten Notentextes ein. Er steht mir nicht zur Verfügung. Allerdings dürfte für unsere Zwecke hier die 1889 bei Breitkopf & Härtel, Leipzig, erschienene Ausgabe als Referenz genügen (Franz Schuberts Werke, 1884-1897, Serie IV, Streich- quintette, No. 1; Dover Reprint, 1965). Die Satzangaben, die man dort vorfindet, entsprechen dem Wortlaut nach exakt denjenigen, die aus den Electrola-Columbia-Katalogen übernommen wurden: Allegro ma non troppo. Adagio. Scherzo. Presto. [–] Trio. Andante sostenuto. Allegretto. Weitere Informationen die Pro Arte-Ausgabe betreffend, sind jetzt wohl nur noch durch Bibliothek- und Archivbesuche möglich. Die Themen sind klar: Etikettaufschriften, Spiegeleintragungen (z.B. Matrizen- nummern), veröffentlichungsdatierungen, Rezensionen (insbesondere deutsche) usw. An musikalische Untersuchungen ist nicht gedacht, hierunter würden beispielsweise Satzaufteilung (Setzung eventuell notwendiger, aber vielleicht ungewöhnlicher Musikeinschnitte), Partiturtreue und Inter- pretation fallen. Und natürlich ist insbesondere der technische und klangliche Transfer vom Medium 78er auf die Medien LP oder CD ein elementarer Ansatzpunkt für Lob und Kritik. Die Suche nach einer zeitgenössischen Besprechung oder Bewertung der Electrola-Pressung war bis jetzt nicht mit Erfolg gekrönt. Für die Originalausgabe hingegen, wir erinnern uns: in England auf HMV erschienen, sieht die Sache besser aus. Soweit musikwissenschaftliche Periodika betroffen sind, erschien die wohl früheste Besprechung in der Vierteljahrszeitschrift Music & Letters, London (Januar 1936, Vol. XVII, No. 1, Abteilung: Gramophone Records, S. [90]-92, Autor: Scott Goddard, ständiger Rezensent). Die Besprechung (S. 92) ist eigentlich nur eine kurzgefaßte Bewertung. Bestellnummern sind nicht genannt, doch macht der Zusammenhang klar (der Abschnitt steht unter dem Stichwort "H.M.V."), es kann sich nur um die Pressung D.B. 2561-2565 handeln (die Interpreten sind natürlich angegeben): [...] we remember no record of this work as admirable as this one. Of the music this is not the place to speak. Perhaps one would hardly trust oneself to do so in any case. Some beauty is untouchable. This performance satifies because it is not only excellent playing but also because it handles the work sanely. Thus the only thing that comes in between the listener and the music is a fine interpretation. Eine der kürzesten der Kurzkritiken, die ich kenne, liefert die monatliche The Musical Times, London (März 1936, Vol. 77, No. 1117, Abteilung: Gramophone Notes, S. 233-235, Autor: William McNaught, ständiger Rezensent). Auf Seite 235, unter dem Stichwort H.M.V., heißt es: Schubert's Quintet, one of the greatest works in chamber music, can be passed without further comment. It is played by the Pro Artes [sic] with Mr. Pini. (DB 2561-65.) Kürzer wäre nur noch: Buy it. Das tat Hitler denn auch (falls er die Platten wirklich KAUFTE, siehe weiter unten ein paar erste Gedanken zu anderen Möglichkeiten der Erwerbung). Eine frühe Bewertung der Aufnahme soll noch angefügt werden, sie stammt von keinem Geringeren als dem Autor der im Dezember 1940 veröffentlichten phonographischen Grundlagearbeit "The Record Book / A Music Lover's Guide to the World of the Phonograph". Die erste Ergänzung (First Supplement) erschien 1941, die zweite (Second Supplement) 1943, beide mit fortlaufender Paginierung, da sie in jeweils neue Auflagen des Hauptbandes eingebunden wurden (ob die Supplements auch einzeln zu haben waren, ist mir unbekannt). Aus der zweiten Ergänzung David Hall The Record Book, Second Supplement New York 1943 (Smith & Durrell), S. [887] 891-1013 stammt die Einschätzung (Kapitel "Chamber Music", S. 930 und 931), wobei erwähnt werden sollte, daß der Band auch einen sehr informativen Beitrag enthält, auf den ich gelegentlich zu sprechen komme: Recorded Music in a World of War. Wiedergabe der betreffenden Kurzrezension "ganzheitlich": [Franz] Schubert QUINTET IN C MAJOR, OP. 163 Budapest Quartet and Barnar Heifetz (2nd 'cello) Columbia M-497 $6.50 Along with the posthumous piano sonatas and the C Major Symphony, this 'Cello Quintet is one of the supreme masterpieces which Schubert gave the world during his last year of life. From start to finish it is one glorious chain of richly colored melody, reflecting the whole gamut of human emotion from trembling ecstasy to dark tragedy. In contrast to the "romantic" reading of this music by the Pro Arte Quartet and Anthony Pini (Victor M-299), the present performance is one of great verve and brilliance. Although it lacks something of Schubertian warmth and sentiment, the sheer perfection of the ensemble playing and clarity of Columbia's recording makes the Budapest album the more desirable disc version of this lovely music. Dem Pro Arte Quartet und seinen diversen Mitgliedern haben etliche Komponisten Werke zugeeignet. Eine ganz besondere Anerkennung kam von Igor Strawinsky. Er schrieb 1944 für Germain Prévost, an Alphonse Onnou (1893-1940) erinnernd, die Élégie [for viola or violin unaccompanied] / composée à l'intention de Germain Prévost, pour être jouée à la mémoire de / ALPHONSE ONNOU / fondateur du Quatuor Pro Arte Beachte: Besetzungsangabe nach dem Titelblatt der Originalausgabe der Associated Music Publishers (New York 1945). Die mir vorliegende Schott-Ausgabe, eine ältere (Edition Schott 4477), gibt auf dem Titelblatt (und so ist das wohl immer noch) den Besetzungshinweis un- erklärlicherweise umgekehrt an: Violine und Viola solo // Kursiv- schrift in der Widmung wie im Druck. Wie oben schon mitgeteilt: Etwa fünf Jahre lang wurde die Electrola- Ausgabe in den Katalogen angeboten, 1941 verschwand sie. Scheint an die- sen beiden Aussagen irgendetwas ungewöhnlich zu sein? Eigentlich nicht, wird so mancher auf den ersten Blick hin bemerken wollen. Nun befindet sich aber das vom Nationalsozialismus strangulierte Deutschland in einer besonderen Situation, zudem auch im Weltkrieg, und deshalb empfiehlt es sich, die Erfahrung drängt danach, den harmlos erscheinenden Sachverhalt etwas unter die Lupe zu nehmen, wobei dann, das sei vorausgeschickt, auch sehr bald deutlich wird, daß dokumentarisch, diskographisch nicht alles so ist, wie es zunächst den Anschein hat. Beschäftigen wir uns also fürs erste, soweit wie nötig, mit Gründen, die zur Absetzung des Electrola-Satzes geführt haben könnten. Der wichtigste Grund für eine Produktstreichung wird selbstverständ- lich und zunächst im Bereich der wirtschaftlichen Vorstellungen des Produzenten zu suchen sein, Stichwort: Repertroire-Abnutzung. Unter "Repertoire" verstehen die Plattenhersteller ihre Ausgaben (Pressungen), ihre Produktpalette. Und hierfür - wer hätte das gedacht? - muß letzt- lich Geld her. Absatz, das ist der Dreh- und Angelpunkt, der Verkauf also, wobei der Indikator Stückzahl heißt. Und mit diesem Indikator eng verbunden sind solche betrieblich meist sehr engagiert durchdachten Aspekte wie Erstauflage (Erstpressung), deren Höhe, Fortführung (Folge- auflagen, deren Höhe und Anzahl), Wiederveröffentlichung (Neuauflage nach Ablauf einer gewissen Ruhezeit). Allerlei Kalkül steckt in diesen Planungen und schließlich Vorgängen, auch Wagemut und Risikowille. Es geht um nichts weniger als Rentabilität, Effizienz, es geht um den Betrieb, die Geschäftsfähigkeit. Das Wort hat der Kaufmann, ein mächtiges Wort, und so ist es nicht verwunderlich, daß, Kunst hin, Künstler her, Lagerhaltung und Kasse aufmerksam nach "Repertoire- Ermüdungen" und "Verschleißerscheinungen" Ausschau halten ("ging nie", "geht nicht mehr", "Ladenhüter"). Nun war, wie Klassik-Verbundene wissen, instrumentale Kammermusik noch nie der ganz große Renner, allerdings: man muß sagen, daß gerade die Schallplatte mit dem Aufkommen der elektrischen Aufzeichnung (Be- ginn: 1925) in einem ersten großen Schritt dazu beitrug, von dem alt- hergebrachten Distanzverhalten einiges abzubauen. Doch eine gewisse Akzeptanzgrenze ist selbst durch den Aufstieg zu den LP- und CD-Gipfeln nicht überschritten worden, und wird sicherlich auch morgen nicht überschritten werden, trotz (oder wegen) des multimedialen Megazirkus- ses. Instrumentale Kammermusik: Terrain für Kenner, Eingeweihte; aber auch heilige Halle für Bildungsbewußtsein, Dünkel. Viele weitere Stich- worte könnte man hierzu einsammeln. Zum Beispiel auch: Äußerungsmög- lichkeit für Innerlichkeit, für den Rückzug auf Letztes. Auf der Seite des Zuhörens entspräche dem die Möglichkeit der Teilnahme daran. Erinnern wir uns nun, was wir hier wollen: Wir benötigen Auskünfte über betriebliche Insidereien, die eigentlich auf größtmögliche Art und Weise vor den Augen Unbefugter geschützt werden, und das alles auch noch auf einem Gebiet, das nun wirklich nicht im Rampenlicht der Musikszene steht. Wie soll das gehen? Eigentlich gar nicht. Dennoch gibt es Informationsquellen, wenn auch nur mühselig ergründ- bare. Zum einen sind das Mitteilungen aus Unterlagen und Briefen Betei- ligter, wie Interpreten und Komponisten. Doch derlei aufzufinden und einzusammeln gestaltet sich wie ein Stochern nach Stecknadeln im Heu- haufen. Aber es gibt diese Hinweise, und sie sind sehr wertvoll, sie haben Tatsachencharakter. Zum zweiten lebt die Schallplattenindustrie nicht auf einer einsamen Insel, sie benötigt Helfer. Einer der wichti- gen ist der Rundfunk. Hier herrscht notwendigerweise Informationsfluß. Allerdings hat nun leider seit geraumer Zeit die elektronische Daten- verbindung derart um sich gegriffen, und damit auch die Informations- kontrolle, daß über Geschäftsinhalte so gut wie nichts mehr durch die EDV-Filter schlüpft. Das war zur Papierzeit anders. Einen ersten Eindruck davon, was das heißt, konnte man gut zur Zeit erlangen, als die Schallplatte als LP ihren historischen und wirtschaftlichen Zenit erreicht hatte (etwa 1975 bis 1985). Fortsetzung in Arbeit [Ab 24.9.2007: Foto 7 jetzt Foto 1] Foto 7: Obere Hälfte eines (roten) Electrola-Etiketts mit "Führer- / hauptquartier / 727"-Aufkleber. Das ist das eine der beiden Fotos, die dem Spiegel-Artikel vom 6. August 2007 beigegeben wurden (siehe oben). Keine neuen Erkenntnisse. Allerdings zeigt die Web-Wiedergabe etwas mehr von dem, was wohl "[IN C-]MOL[L]" heißt; "MOL[L]" ist sowohl im Druck wie im Web klar zu erkennen. Vermutlich aus dem "Schnabel-Album", Beet- hoven, Sonate c-moll op. 111 (siehe Foto 2). Beachte: Diese spekulative Zuweisung stammt vom August 2007, sie deutet aber, was vor allem die Plazierung des sichtbaren Teils der Aufschrift nahelegt, eher in die falsche Richtung. Und da, wie sich mittlerweile heraustellte, der FHQ- Aufkleber 728 der erste der für das Quintett in C-dur von Franz Schubert vergebenen ist (siehe oben), neige ich dazu, nach anderen Arbeitshypo- thesen zu suchen, eine wäre die Electrola-Einzelplatte D.B. 2221, Kom- ponist ebenfalls Schubert: "QUARTETTSATZ IN C-MOLL", Allegro assai, Budapester Streichquartett. Einzelheiten in Vorbereitung, so sehr viel Passendes in c-moll (oder auch g-moll) gibt es nicht. Zumal die Alters- bestimmung des Etiketts wohl auch noch eine Rolle spielt. Der Bogen des entscheidenden Buchstabens vor "MOL[L]" deutet übrigens eher auf ein "C" hin, zu einem "G" will er so gar nicht passen. Somit trifft die Identifikation "QUARTETTSATZ IN C-MOLL" sehr wahrscheinlich zu (Kommentar: 6.1.2009, 9.1.2010). [Ab 24.9.2007: Foto 8 jetzt Foto 3] Foto 8: Rotes Electrola-Etikett. Feodor Schaljapin: Kein Schlaf' [sic] keine Ruh' für mein gequältes Herz, aus Prinz Igor (Fürst Igor), unvollendete Oper von Alexandr Borodin. Etikettinformationen: "BASS in Russisch mit Orch.", D.B. 799, Katalog-Nummer der Seite: 2-022031. Eti- kettdatierung: nicht vor 1932. Allerdings zeigt die Katalognummer und auch die antiquierte Verdopplung der Auslaufrille (eine Sicherung vor unkontrolliertem Überschießen des Trichtertonarms), daß es sich um eine Matrize älterer Fertigungsart handeln muß. Leider wurden die Prägungen im Plattenspiegel nicht mit aufgenommen, dennoch kann die Platte allein nach dem Etikett eindeutig identifiziert und datiert werden. Mit "Füh- rer- / hauptquartier / 839"-Aufkleber (zum Erhaltenheitsgrad siehe unten). Aufnahme: His Master's Voice, 1924 (Aufnahmendaten je Seite siehe unten); internationale Ausgabe (länderangepaßte Pressungen, siehe unten). Bekannte Platte, dennoch extrem selten, unzählige Male wieder- veröffentlicht auf Langspielplatte und CD. Besonderheit: Akustische Aufnahme, also noch mit Trichter (nicht mit Mikrophon usw., also keine sogenannte "elektrische Aufnahme"). Insofern ist die Veröffentlichung auf ELECTRola eigentlich ein Widerspruch, denn Electrola wurde ja als deutsche Tochter der englischen Gramophone Company gerade im Hinblick auf das neue Aufnahmeverfahren gegründet (1925), wobei der Name schon für sich sprechen sollte. Solche Wiederver- öffentlichungen akustischer Aufnahmen in der "elektrischen Zeit" sind nicht selten, oft sogar ungekennzeichnet, verdeckt (ein diskographischer Sonderacker). D.B. 799 Englische Ausgabe (russisch gesungen): How goes it, Prince? (Khan Kontchak's Aria, aus der Oper Prinz Igor / Fürst Igor, 2. Akt) Katalog-Nummer der Seite: 2-022028 / Matrizen-Nr. Cc4883IV Hayes, Middlesex, 14. Juli 1924 Übernahme: Victor (USA) 6533 Orchester, Leitung: Eugene Goossens ======================================================================== Und außerdem Seite E? ======================================================================== No sleep nor rest (aus der Oper Prinz Igor / Fürst Igor, 2. Akt) Katalog-Nummer der Seite: 2-022031 / Matrizen-Nr. Cc5195II Hayes, Middlesex, 8. Oktober 1924 Orchester, Leitung: Julius Harrison Deutsche Ausgabe (russisch gesungen, diskographische Angaben siehe oben): Wie geht es, Prinz [Fürst?]? Kein Schlaf' [sic] keine Ruh' für mein gequältes Herz Französische Ausgabe (russisch gesungen, diskographische Angaben siehe oben): Prince, comment allez-vous? Ni sommeil ni repos Diskographie: Alan Kelly 1972 (siehe weiter unten) [Ab 24.9.2007: Foto 9 jetzt Foto 4] Foto 9: Haus des Fundorts in Nikolina Gora, bei Moskau. Idyllische Wohngegend. Sergej Prokofjew hatte dort seinen Landsitz. [Ab 24.9.2007: Foto 10 jetzt Foto 5] Foto 10: Bücherregale des Sammlers, voll deutscher Literatur über das Nazi-Regime. Schild davor mit dem Namenszug "Lew Bezymenski" (nicht wie im Spiegel-Artikel: Besymenski). [24.9.2007: Foto 11 jetzt Foto 6] Foto 11: Ein Streifen Armeeorden [24.9.2007: Foto 12 gelöscht] Foto 12: Spiegel-Korrespondent Matthias Schepp mit weißem Apple- Laptop. Aufgeschlagen sind zwei Alben. 1) Rotes Album mit roten Etiket- ten, vielleicht ein Electrola-Album, aber die Etikette sehen eher nach (französischen) Disque "Gramophone" aus (diese Marke gehörte wie Elec- trola zur englischen EMI-Gruppe, war die französische Ausgabe der D.B.- Serie, siehe oben und unten). Es sind drei verschiedene Aufkleber aus- zumachen. Eine Platte (von Schepp aus links, sieht ganz besonders nach Disque "Gramophone" aus) hat zwei, der eine davon ist wahrscheinlich der "Führer- / hauptquartier"-Aufkleber (doch wie käme Hitler denn an Disque "Gramophone"? siehe dazu unten). Die andere Platte hat einen länglichen Aufkleber. Einzelheiten sind nicht zu erkennen. 2) Das andere Album ist auch rot, ein schwarzes Plattenetikett ist zu sehen, das kann fast alles sein (z.B. Telefunken, Parlophon, Electrola, die Randverzierung spricht für Parlophon, jedenfalls nicht Odeon, in diesem Fall müßte man das auf- fällige Odeon-Logo, das Musentempelchen, erkennen können; auch Telefun- ken kann es eigentlich nicht sein, das Telefunken-Logo: Keil, stilisier- te Schneid- oder Abtastspitze, wäre ebenfalls zu prägnant), Einzelhei- ten sind nicht zu erkennen. Das Album weist, vom Foto her zu urteilen, starke Wasser- und Schimmelschäden auf. Die von Schepp aus der Hülle gezogene Platte hat offenbar den "Führer- / hauptquartier"-Aufkleber. [24.9.2007: Fotos 13 bis 15 gelöscht] Fotos 13 bis 15: Handschriftlicher Bericht in russischer Sprache, Seiten 1 bis 3, aus der ehemaligen Heftung gelöst. Hat man einige Erfahrung, kann man schon mit bloßem Auge den Erhal- ======================================================================== Und außerdem Seite E? ======================================================================== tenheitsgrad einer Schellackplatte einschätzen (mit Lupe natürlich noch besser), und zwar insbesondere an den Rillenausfransungen. Allerdings gibt es auch Fehleinschätzungen nach der einen wie nach der anderen Seite hin. Ich habe Plattenseiten miserablen Aussehens mit hervorra- genden Hörergebnissen erlebt, wie auch scheinbar nagelneue Platten mit schlimmsten Einbußen (Rauschen, Verzerrungen usw.). Es gibt zahlreiche beeinflussende Faktoren, z.B. die Schellackbeschaffenheit (grob- bis feinkörnig u.a.), die Rillenweite und -tiefe (bei der Weite gibt es Unterschiede von etwa 100 my bis zur - der Langspielplattenaufzeichnung analogen - sehr feinen Füllschrift = variable micrograde). Und man be- denke nebenbei: Es gibt nicht nur die horizontal ausgelenkte Aufzeich- nung, die vertikale gibt's auch noch (wenn auch selten, "Berg-und-Tal- Rillen" = "Tiefenschrift", z.B. bei Zylindern = Walzen und uralten Platten der französischen Firma Pathé). Die dargestellte Seite der Electrola-Platte auf Foto 6 macht einen etwas mitgenommenen Eindruck, sie scheint "abgedudelt" zu sein, aber der Fotoeindruck sagt noch nicht viel. Die gezeigte Seite der Schaljapin- Electrola (Foto 8) hingegen wirkt regelrecht "mint". "Mint" bedeutet neu, preßfrisch. In seriösen Sammlerkreisen wird dieser Erhaltenheits- grad nur sehr zögerlich verwendet, weil es "mint"-Platten kaum mehr gibt. Und doch: Diese Platte wirkt auf mich, wie nur wenig gespielt, wenn überhaupt. Geht man also das Thema "Hitler und seine Platten" an, sollte man sehr vorsichtig formulieren. Vielleicht hat er manche nie gehört. Im übrigen haben alle "Bunker-Platten" des Nikolina Gora-Fundes eine Geschichte vor und nach dem 30. April 1945. Ich möchte an dieser Stelle noch etwas sehr Spekulatives äußern. Ausgeprägter starker Schweiß ist für Schellack nicht gerade günstig, wir Diskographen sagen salopp: Schweiß frißt Schellack an. Deshalb fassen fachkundige Dokumentare und Archivare die Platten so an, daß im einen Fall das Etikett auf den Mittelfingern und der Rand auf den Handballen ruhen. Im andern Fall drücken beide Hände rechts und links gegen die Ränder: Beide "Anfaßmethoden" sollen helfen, Berührungen der Rillen zu vermeiden. Ein seriöser Achivar handelt so. Ein Laie wird kaum so ver- fahren. Er wird oft genug eine Platte wie ein Stück Pappe anfassen. Warum erzähle ich daß? Weil ich mich frage, ob die heutige hochent- wickelte kriminalistische Spurensuche nicht Fingerabdrücke ermitteln kann, die mehr als 60 Jahre alt sind. Ich denke, es ist klar, was ich meine. In ihrem Spiegel-Artikel über den Nikolina Gora-Fund wundern sich die Autoren sehr, daß sie da in einer Schallplatten(an)sammlung, von der ein gewisser oder großer Teil aus dem Berliner "Führerbunker" stammt (das Ausmaß ist noch ungeklärt), auch Musik russischer Komponisten und Inter- preten vorgefunden haben, Musik des Feindes also. Warum so überrascht? Russische Musik (was immer darunter verstanden wurde oder zu verstehen ist) war bis ins Jahr 1941 hinein (Blitzüberfall der Sowjetunion am 22. Juni 1941) alles andere als verboten. Ganz im Gegenteil, sie war teil- weise sogar en vogue, abgesehen von Musik jüdischer Komponisten und Interpreten auch in "gehobenen" Nazi-Kreisen; sie galt bei faschisti- schen Musikideologen als "völkisch", als durchaus "angemessen". Selbst die unglaubliche Brandmarkung "entartet" bei "Neuer Musik" hieß nicht automatisch verboten, jedenfalls nicht im Fall Strawinsky. Das belegen auch späte Schallplattenkataloge. So zeigen eine "Kriegsausgabe" vom Juli 1940 und ein Katalog vom November 1941, daß der Verkauf von Schall- platten mit Werken dieses Komponisten innerhalb des "Gebietes des Deut- schen Reiches" bis zum Februar 1942 (siehe unten das Dokument) nicht grundsätzlich verboten war, jedenfalls nicht amtlich expressis verbis (d.h. unmißverständlich) von Berlin aus. Anders war offenbar die Lage bezüglich (Bühnen-?)Aufführungen: Hier soll am 1. Februar 1940 ein Ver- ======================================================================== Und außerdem Seite E? ======================================================================== bot erlassen worden sein, dessen Dokumentation mir aber bis heute nicht vorliegt. Im übrigen scheinen bis in die Anfangszeit des Krieges im Nazi-Staat (auch die zitierten Kataloge sind dafür Hinweise) die "Hand- lungsvorstellungen", die "Bewußtseinslagen", inwieweit denn nun Stra- winsky als verboten oder unerwünscht anzusehen sei, regional und lokal unterschiedlich gewesen zu sein. Er galt als "entartet", d.h. "uner- wünscht" u.a. 1938 (Düsseldorfer Ausstellung), als "erwünscht" (jeden- falls nicht als "unerwünscht") u.a. 1936 (Baden-Baden, Konzert, per- sönlich), 1938 (Berlin, Schallplattenaufnahme, persönlich), 1939 (Ham- burg, Schallplattenaufnahme, Fremdinterpretation), im Nazi-besetzten Gebiet Frankreichs: 1943 (Paris, Schallplattenaufnahme, Fremdinterpre- tation), November 1943 (Paris, Schallplattenaufnahme: Klavierkonzert, Fremdinterpretation, Strawinskys jüngster Sohn). Die Stellung des "Dritten Reichs" Strawinsky gegenüber ist schwer einzuschätzen. Daran hat sich schon so mancher versucht. Einer Diskus- sionsvorlage ähnlich kann man aber wohl zumindest die "offizielle" Lage bis 1940 bzw. 1942 so umschreiben, daß da ein in unterschiedlicher Weise und Stärke "diffuses" (aber es war ja gerade nicht diffus), bedrücken- des, zwanghaftes Klima herrschte, dem einiges an Distanz- und Verbot- geruch beigemengt war. Ein (nahezu) Total-Verbot gab es ganz offensicht- lich aber auch (an anderem Ort mehr darüber). Wer das untenstehende Dokument genau liest, wird feststellen, daß entgegen dem Titel "nur" vom "Verkauf" "im Gebiet des Deutschen Rei- ches" die Rede ist. Die HERSTELLUNG zwecks Export in nicht ausgeschlos- sene Länder ist aber offenbar nicht verboten worden (da bleibt aller- dings auch nicht mehr so sehr viel), und der Besitz war offenbar eben- falls nicht verboten, wenn ich diesen Sumpf richtig verstehe. Auf- schlußreich ist auch die 6-monatige "Abstoß"-Frist, man setzte wohl noch einigen Absatz voraus (Steuereinnahmen). Und was steckt eigentlich hinter der Wendung "sowie französischer Musik"? Hier haben die Nazis wohl insbesondere die von ihnen definierte "Keimzelle" der "Kultur- Entartung" im Auge, die ihrer Meinung nach auf der Schallplatte noch ungehindert Verbreitung fand. (Randnotiz: Strawinsky ist zwar ein gebürtiger Russe, war damals aber französischer Staatsbürger. Er verließ im September 1939, kurz nach Ausbruch des Krieges, Frankreich und reiste in die USA ein. Eine Arbeit über Strawinsky auf Schallplatten im "Tausendjährigen [Wahn-]Reich", da- vor und danach, ist in Vorbereitung.) Es sollte übrigens nicht unerwähnt bleiben, daß sich die beiden Nazi- Größen Hitler und Goebbels bei ihrer Einschätzung des Phänomens Schall- platte, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung auch, gelegentlich uneinig waren. Hier bieten Funde wie der von Nikolina Gora vielleicht weitere Aufschlüsse. DOKUMENT (Abschrift) Verbot feindländischer Schallplattenmusik Unter dem 4. Februar 1942 (Geschäftszeichen: M 10 540-22/22/241. 42/619. 1/4) hat das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda folgendes Verbot erlassen: "Unter Bezugnahme auf den Erlaß über die Programmgestaltung des deutschen Musiklebens im Kriege vom 2.9.1939 (Amtl. Mitt. [Amtliche Mitteilungen] 1939, S. 55) wird verfügt, daß der Verkauf von Schall- platten, die von Firmen der Feindstaaten hergestellt oder mit Werken von Autoren oder durch Mitwirkende der Feindstaaten bespielt sind, im ======================================================================== Und außerdem Seite E? ======================================================================== Gebiet des Deutschen Reiches zu unterbleiben hat. Dies gilt auch für die Staaten, die die diplomatischen Beziehungen zu den Achsenmächten abgebrochen haben. Für den Abstoß von Schallplatten mit russisch- vorbolschewistischer sowie französischer Musik wird den Händlern eine Frist von 6 Monaten vom Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Erlas- ses ab gewährt. Es bleibt zulässig, Schallplatten mit Musik aus Bizets "Carmen" und Schallplatten mit Werken von Chopin zu verkaufen. Der Verkauf von Schallplatten mit feindstaatlicher Musik in die besetzten Gebiete hat gleichfalls zu unterbleiben. Holländische, belgische, dänische, griechische und norwegische Schallplatten sowie Schallplatten französischer Firmen mit deutscher Musik bleiben zum Verkauf zugelassen. Diese Bestimmungen werden hiermit allen Dienststellen der Kammer zur entsprechenden Unterrichtung der Mitglieder bekanntgegeben." Berlin, den 9. Februar 1942 Der Präsident der Reichsmusikkammer Im Auftrag: Dr. [Alfred] M o r g e n r o t h Für Google-Index: Alfred Morgenroth Quelle: Amtliche Mitteilungen der Reichsmusikkammer, 9. Jahr, Nr. 2, 15. Februar 1942 (Faksimile in Prieberg 1982, S. 400) AUSWIRKUNGEN (samt einer Lüge)
Telefunken-Platten, Hauptverzeichnis, Zweite Kriegsausgabe, Juni 1942
Die Ernte Hauptverzeichnis der Telefunken-Platten Zweite Kriegsausgabe, Juni 1942
======================================================================== Und außerdem Seite E? ======================================================================== Dem mir zugänglichen Exemplar des abgebildeten Katalogs liegt eine "Streichungsliste" vom Januar 1943 bei, die mit dem folgenden Hinweis eingeleitet wird: Die in unserem Hauptverzeichnis »Die Ernte« (zweite Kriegsausgabe) enthaltenen und nachstehend aufgeführten Bestellnummern dürfen auf Grund eines nach Fertigstellung des Hauptverzeichnisses durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda erlassenen Verbotes n i c h t m e h r a u s g e l i e f e r t werden. Für Google-Index: nicht mehr ausgeliefert werden. Die drei Aufnahmen Strawinskyscher Werke, die Telefunken je im Sorti- ment hatte (Feuerwerk, Jeu de Cartes und Concerto in Es), sind nicht auf dieser Streichungsliste, sie waren schon im Juni 1942 nicht mehr mit dabei, in der vorangegangenen "Kriegsausgabe" der Ernte vom Juni 1940 aber wohl noch. Die Liste zeigt im übrigen, daß der Katalog zu diesem Zeitpunkt noch gilt. Er war auch meines Wissens das letzte Gesamtver- zeichnis, bevor rund zwei Jahre später die Produktion ganz zum Erliegen kam. Ist Ihnen die Lüge aufgefallen? Der einleitende Hinweis enthält sie, und es steckt offensichtlich betriebswirtschaftliches Kalkül dahinter. Immer wieder wurde derart kaufmännisch verschleiernd oder aufschiebend getrickst. Hier in diesem Fall stammt das Verbot, auf das der einlei- tende Hinweis hindeutet, vom Februar 1942, der Katalog aber wurde nicht vor Juni gedruckt, wie aus der Datierung auf der Titelseite unmißver- ständlich hervorgeht: "Enthält die während der Kriegszeit lieferbaren Telefunkenplatten sowie die Neuerscheinungen bis einschließlich Oktober 1941 und einen Nachtrag November 1941 - Juni 1942". Randnotiz: Der, wie man sieht, nicht vor Juni 1942 fertigestellte Nachtrag enthält zudem und kurioserweise zwei Platten, die im Januar 1943 wieder gestrichen werden, also, so läßt sich das deuten, an dem Verbot vom 4. Februar 1942 "vorbeigeflutscht" sind. Wieso sie aber inhaltlich überhaupt unter das Verbot fallen sollen, ist mir nicht klar. (Beschreibung relevanter Telefunken-Kataloge im Zusammenhang mit Stra- winsky in Vorbereitung). Ein letztes: Wenn die Fotos rund um die Nikolina Gora-Fundsache die Sachverhalte einigermaßen richtig wiedergeben, dann wundert mich, daß die Nummern auf den "Führer- / hauptquartier"-Aufklebern gedruckt sind, im selben Blau wie die Aufschrift. Warum wurden sie nicht aufgestempelt? Es ist ja das weiße Stempelfeld für diesen Zweck da. Stattdessen wurde alles fix und fertig gedruckt. Könnte es sein, daß in einigen Führer- hauptquartieren gleiche oder ähnliche Sammlungen vorhanden waren? Gleiche Platten, gleiche Nummern. Die "Berghof"-Aufkleber haben übrigens das gleiche Design: gleiche Art, offenbar gleiche Zeit und gleicher Drucker. Dies gilt aber scheinbar nur für die Zeit bis 1940, jedenfalls hat der Aufkleber einer Platte, die etwa im Sommer 1940 erschien, den Aufdruck "Berghof" nicht in dünner, sondern in dicker Frakturschrift. Außerdem unterscheidet sich auch die Form dieses Aufklebers (siehe unten) etwas von der früherer Aufkleber. Die früheren haben wie Brief- marken Abrißzacken, und zwar nur an einer Seite. Die anderen drei Seiten sind glatt (= "geschnitten", um es im Briefmarken-Fachlatein zu formulieren). Es sieht also wohl eher so aus, daß die Aufkleber, nicht wie vorher vermutet, in vielfacher Form gedruckt wurden, sondern nur paarweise. Für jede Plattenseite einen, denn in der Regel waren ja die Schellacks der Hitlerzeit doppelseitig. Nur Endplatten großer Werke waren unter Umständen einseitig. Foto 6 der Moskauer Jin-Galerie gibt wohl eine ganz brauchbare Anschauung für beide Fälle ab: Auf dem linken Etikett klebt eine linksgezackte Marke, und wie es scheint, hat das rechte Etikett die rechtsgezackte Variante. Allerdings ist gerade dieser Aufkleber am rechten Rand beschädigt, doch alles deutet darauf hin, daß er rechtsgezackt war. Im Gegensatz zu dieser offenbar früheren Aufkleberform, scheinen die neueren "Berghof"-Aufkleber "einzeln gedruckte" Exemplare zu sein, jedenfalls hat der oben genannte "neue" Aufkleber keine Abrißzacken, alle vier Seiten sind "geschnitten". Somit dürfte also für jede Seite ein "Aufkleber in geschnittener Form" vorgelegen haben. Denn daß im übrigen die Platten Hitlers beidseitig numeriert wurden, genauer gesagt, daß das zumindest so gehandhabt werden sollte, zeigt u.a. das Nikolina Gora-Video, siehe dort die Vorführszene mit der Gieseking- Aufnahme des Griegschen Klavierkonzerts in A-moll. Die umgeschlagene Platte hat beidseitig den "Führer- / hauptquartier"-Aufkleber. Und auch das schon genannte Foto 6 der Jin-Galerie legt diese Ansicht nahe, weil die Seite 2 des Plattensets (= Rückseite der Platte 1, auf dem Foto die rechte Platte) einen Aufkleber hat (Weiteres in Vorbereitung). DP, 29.8.2007 (Datierung der Erstfassung dieses Teils) Nachtrag zum Spiegel-Artikel (1) A) Tietjen (Telefunken) und Schaljapin (Electrola) Im Spiegel-Artikel werden zwei Plattenausgaben etwas näher beschrie- ben. Fotos gibt es nicht dazu, weder im Artikel noch auf der Homepage des Fotografen Justin Jin. Im Grunde sind es nur ein paar knappe Mit- teilungen zum Inhalt, doch so knapp sie sind, sie erlauben dennoch Versuche einer Identifikation und Datierung. Der erste dieser Hinweise lautet (Seite 114, 1. Spalte, obere Hälfte): ======================================================================== Und außerdem Seite E? ======================================================================== [...] die Ouvertüre zu Richard Wagners "Fliegendem Hol- länder", gespielt vom Orchester des Festspielhauses Bay- reuth. "Dirigent: Generalintendant Heinz Tietjen". Es kann sich nur um den zwei 30-cm-Platten umfassenden Satz Telefun- ken SK 2089/2090 handeln (das Präfix "SK" bedeutet Sonderklasse, eine Musikarten- und Preiskategorie, anfangs höchste Stufe, später zweit- höchste Stufe: 4,50 RM, nur noch übertroffen von SKB = Sonderklasse Bayreuth: 5.- RM). Die Aufnahme wurde am 4. September 1936 in Bayreuth im Festspielhaus eingespielt. Veröffentlichung nach aller Erfahrung: Vorweihnachtszeit 1936 oder Anfang 1937, ist jedenfalls im Katalog "Die Ernte / Hauptverzeichnis der Telefunkenplatten 1937/38" angeführt, die- ser enthält "alle bis Ende September 1937 erschienenen Telefunken- Schallplatten". Matrizennummern: 021344, 021345, 021346 (I., II. und III. Teil). Auf Seite 4 des Satzes (B-Seite von SK 2090) wurde ein "Füllstück" beigegeben (vorher auf Telefunken SK 1297 veröffentlicht, im ersten "Telefunken Schallplatten / Haupt-Verzeichnis" [1933] geführt): Richard Wagner: Am stillen Herd [in Winterszeit] / Walters Preislied (Morgenlich leuchtend in rosigem Schein), aus: Die Meister- singer von Nürnberg, 1. Akt, Szene des Walther von Stolzing Helge Roswaenge, Tenor (Walther von Stolzing) Orchester der Staatsoper Berlin Franz Alfred Schmidt, Dirigent Matrizennummer: 018796 Berlin, 24. November 1932 Quellen, neben den angegebenen: Deutsches Rundfunkarchiv (Datenbank), Ultraphon-Telefunken-Matrizen- und Bestellnummernverzeichnis (Kopie des handschriftlichen Originals) Ob der Satz in der Sammlung von Nikolina Gora komplett vorhanden ist, dazu findet sich im Spiegel-Artikel kein Hinweis. Anscheinend steckt die Ouvertüre aber (ob komplett oder nicht) zusammen mit Beethovenschen Klaviersonaten (opus 78 und 90 sind genannt) in einem "Album Nr. 1". Vom "Führer- / hauptquartier"-Aufkleber ist bei dieser Textstelle nicht die Rede. Wie auch immer, diskographisch spricht nichts dagegen, daß der Satz SK 2089/2090 aus dem "Führerbunker" stammen könnte. Die zweite der konkreteren "Plattenstellen" des Spiegel-Artikels lau- tet wie folgt (S. 114, 1. Spalte unten): So verbirgt sich hinter der Inventarnummer "Führerhaupt- quartier 840" eine Aufnahme der Firma Electrola mit der Aufschrift "Bass i. Russisch mit Orch. und Chor". Zu hören ist die Arie "Tod des Boris Godunoff" des russi- schen Komponisten Modest Mussorgski, gesungen vom russi- schen Baß Fjodor Schaljapin. Nach meinen Recherchen können sich die Angaben nur auf eine der folgenden 30-cm-Platten beziehen: Electrola D.B. 100 (veröffentlicht 1924 oder 1925), D.B. 934 (veröffentlicht spätestens April 1928) oder D.B. 3464 (veröffentlicht Ende 1938 oder 1939). Ich favorisiere mittler- weile keine der drei Platten. Ursprünglich tippte ich im hitzigen Ver- mutungseifer auf D.B. 934, dachte sogar daran, hier das Kitschetikett ======================================================================== Und außerdem Seite E? ======================================================================== "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" vergeben zu müssen, obwohl ich mir natürlich immer im klaren war, daß dies nur ein "blinder" Identifikationsversuch ist. Doch leichtfertig war meine anfängliche Festlegung auf D.B. 934 keineswegs. Ich fand ja dann auch in einer zeit- genössischen Besprechung einen Hinweis auf diese Platte. Bekannt war sie also, das aber kann man bei Schaljapin eigentlich voraussetzen, denn seine Platten waren wohl allesamt "Hits". Nach längerem Nachforschen und Hin- und Herüberlegen, denke ich nun, es ist fürs erste gar nicht so wichtig, zu wissen, um welche Aufnahme es sich nun ganz genau handelt. Daß im "Führerbunker" mindestens zwei Schaljapin-Platten existierten (zur andern siehe oben Foto 8), das allein schon erscheint mir derzeit ein Hinweis zu sein, der bezüglich Hitler für manch eine Interpretation der Anlaß sein könnte. Gerade Schaljapin, dieser Super-Basso profondo im Übermaß, körperlich wie stimmlich. Interessant ist auch die Tatsache der nebeneinanderliegenden Be- standsnummern ("Tatsache" heißt: nach dem, was gezeigt wird und ge- schrieben steht), nämlich 839 und 840. Angsichts dieser Kennntis stellt sich nun umso mehr die schon angedeutete Frage: Gibt oder gab es noch weitere Schaljapin-Platten in Hitlers Sammlung, solche mit dem "Führer- / hauptquartier"-Aufkleber? Man soll immer etwas praktisch sein: Für meine Darstellung unten erscheint es mir also nicht nur unnötig, mit einer "an Sicherheit gren- zenden Wahrscheinlichkeit" herumzujonglieren, herumzumogeln, auch eine andauernde umständliche Konjunktiverei werde ich mir schenken (wenn- gleich das unbotmäßig sein mag). Denn eine der drei Electrola-Platten muß es sein, zumal, wie gesagt, ein Richtig-oder-daneben-getippt zu- nächst einmal unerheblich zu sein scheint. Auf jeden Fall aber lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen, vor allem diskographisch, damit die Fakten stimmen. Zunächst zur erwähnten Besprechung: Die Musik, Mai 1928 (Berlin, XX. Jahrgang, Heft 8, Abtei- lung: Neue Schallplatten), S. 595/596 Deutsche Grammophon A.-G.: [Nach mehreren Besprechungen folgt:] Zwei herrliche Platten des Ural-Kosaken-Chors (R 65000/01) seien empfohlen. Electrola: Die Russenliebe siegt auch hier [was heißt "hier"? bei Electrola?]. Man sollte diese Möglichkeiten, fremde Volksmelodien zu verbreiten, nicht unterschätzen. Wird nun gar so ausgezeichnet gesungen wie vom Russischen Staatschor in der herrlichen Suite aus ukrainischen Volksliedern (EH 103), so muß sich beim Hörer mit der Kenntnis fremder, echt empfundener Volkskunst von selbst die Frage nach der eigenen Volksmusik einstellen. Diese Russen singen mit einer Reinheit und Schwermut und zu- gleich mit einer Freude am sinnlichen Klang, wie wir es kaum noch kennen. Wie zum Beispiel aus der »instrumen- tal« gesungenen Einleitung die Solomelodie herausblüht, ist voll echter, ergreifender Kontrastwirkung. Russische Kunstmusik, die ohne die Volkskunst nicht denkbar wäre, singt Schaljapin. Diese Platten [meint: Diese beiden Plattenseiten] aus Mussorgskijs »Boris Godunoff« (DB 934) empfehlen sich von selbst. - Die übrigen Aufnahmen weichen vom Gewohnten nicht allzusehr ab [...] Eberhard Preußner [später infiziert vom NS-Virus, nach dem Krieg dann wieder "entbräunt"] Zur Identifikation (7.1.2008): Wenn in der oben wiedergegebenen Spiegel-Textstelle die Angabe "Bass i. Russisch mit Orch. und Chor" ======================================================================== Und außerdem Seite E? ======================================================================== exakt zitiert ist, dann handelt es sich, so wie ich anfangs vermutete, um D.B. 934, siehe Nr. 4 in der Aufstellung unten. Diese zeigt, wie die Wendung auf sechs aufgefundenen Etiketten lautet (/ = Zeilenumbruch, // = Layout-Abstand bzw. Schluß): 1) D.B. 100 ("Nowawes-Etikett" mit "Kontrolle Electrola...") Tod des Boris // RUSSISCH / mit Orch. / und Chor // 2) D.B. 100 ("Berlin-Etikett" mit Weltkugel) Tod des Boris // RUSSISCH / mit Orch./ und Chor. // 3) D.B. 934 ("Nowawes-Etikett" mit AMMRE) TOD DES BORIS // BASS in Russisch / mit Orch. / und Chor // 4) D.B. 934 ("Nowawes-Etikett" mit B.I.E.M.) TOD DES BORIS // Bass i. Russisch / mit Orch. / und Chor // 5) D.B. 934 (Disque "Gramophone" mit BIEM) Mort de Boris // Ch. HOMME / en Russe / av. Orch. // 6) D.B. 3464 ("Berlin-Etikett" mit BIEM) TOD DES BORIS // Bass i. Russisch / m. Chor u. Orch. // Diskographische Angaben zur Electrola-Ausgabe D.B. 934: Modest Mussorgsky (1839-1881), Boris Godunoff, 4. Akt Abschied des Boris (russisch gesungen) Orchester, Leitung: Eugene Goossens Matrizennummer: CR375IΔ Katalognummer: 2-022037 Aufnahmedaten: London, per Leitung ins Gloucester House, 21. Mai 1926 Erstveröffentlichung: His Master's Voice (GB), D.B. 934, 25. November 1927 Übernahmen: U.a. Victor (USA) 6724, Electrola (D) D.B. 934 Tod des Boris (russisch gesungen) Orchester und Chor, Leitung: Lawrance A. Collingwood Matrizennummer: Cc10938IIIΔ Katalognummer: 2-022038 Aufnahmedaten: London, Small Queen’s Hall, Studio C, 13. Juni 1927 Erstveröffentlichung: Siehe oben Übernahmen: Siehe oben Δ = elektrische Aufnahme Einzelheiten zu Matrizen- und Katalognummern, Abweichungen, Fehlern in der unten angegebenen Literatur sowie zu diversen Etiketten sind in Vorbereitung. Diskographien: u.a. zu Electrola D.B. 934, Anatoly Likhnitskiy; Alan Kelly: Feodor Ivanovich Chaliapin, The Record Collector, August 1972 (Vol. XX, Nos. 8-10), S. 180-230; Alan Kelly, Vladimir Gurvich: [Chaliapin-]Discography, in Victor Borovsky: Chaliapin, A Critical Biography, London 1988, S. 541-587; John R. Bolig: The Victor Red Seal Discography, Volume II: Double-Sided Series to 1930, Denver 2006 Beachte: Es gilt zu beobachten, ob es eine D.B. 934 mit der Matri- zennummer CR374IV gibt (Abschied des Boris, Seite A). Desgleichen, ob mit Schaljapin Victor 6812 und 6813 existieren, vermutlich sind dies jedoch diskographische Enten. Fortsetzung in Arbeit DP, Anfang September 2007 (Datierung der Erstfassung dieses Teils) Weiter [aussdm06]

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