Kelkheim 1938 - 4
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HK, Mittwoch, 24. August 1938, S. 4, Rubrik: Aus dem Main=Taunus=Kreis
Vorbemerkung (In Arbeit)
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Kelkheims neuer Bürgermeister
wird heute abend in sein Amt eingeführt.
kf. Der Verwaltungsoberinspektor Willi G r a f [Graf] von der
städtischen Verwaltung in Frankfurt a. M. [am Main] ist auf Vorschlag
des Beauftragten der NSDAP und mit Genehmigung des Regierungspräsidenten
in Wiesbaden vom Landrat des Main=Taunus=Kreises zum hauptamtlichen
Bürgermeister der Stadt Kelkheim ernannt worden. Heute abend findet
im Kelkheimer Rathaus in einer Sitzung der Ratsherren in Anwesenheit
des Landrats des Main=Taunus=Kreises Dr. J a n k e [Janke] und dem [sic]
Beauftragten der NSDAP, Kreisleiter S ch e y e r [Scheyer][,] die
feierliche Amtseinführung statt.
*
Der Verwaltungsoberinspektor Willi Graf ist am 28. Mai 1902 in Bad
Homburg v. d. H. [vor der Höhe] geboren. Am 1. Mai 1920 trat er in
die Dienste der Stadtverwaltung Frankfurt a. M. [am Main] und war dort
beschäftigt bei der Stadthauptkasse, beim Versicherungsamt, und
Wohlfahrtsamt.
Bei der Machtübernahme im Jahre 1933 wurde er von der NSDAP als
Gauamtsleiter zur NSV. abkommandiert, bei der er heute noch das Amt
eines Hauptstellenleiters versieht. Pg. Graf ist seit 1928 Mitglied der
Bewegung und Oberscharführer der SS {*3} {*4}.
«« ←
Textvergleich(e): 3 (5.4.2017, 21.9.2017)
{* }
{* }
{*3} "SS" als Runen
{*4} Zum "Werdegang" des SS-Bürgermeisters seit 1938 siehe Datei
"1934", dort: Fußnote zum NSDAP-Ortsgruppenleiter Leo Claas.
Graf muß aber nicht nur im Zusammenhang mit Leo Claas gesehen
werden, sondern auch im Zusammenhang mit dem NSDAP-Bürgermeister
Jakob Rittgen und dem NSDAP-Ortsgruppenleiter Georg Seebold 5.
(zu diesen siehe ebenfalls "1934").
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HK, Donnerstag, 25. August 1938 (Nr. 197), S. 4
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Der Möbelstadt Kelkheim erster Bürgermeister
Amtseinführung in feierlicher Ratsherrensitzung
[Die beiden nachstehenden Fotos nebeneinander.]
Die Amtseinführung durch Handschlag. Neben dem Landrat
Kreisleiter Scheyer und Ortsgruppenleiter Seebold.
Aufnahme: Bauer. {*1}
[Unter ihrem Führer, nun der Führer Großdeutschlands, im Sitzungssaal
des (alten) Rathauses, Hauptstraße 7 {*2}:
Willi Graf, Dr. Ernst Janke, Karl Scheyer, Georg Seebold 5.
Blumenschmuck und Lorbeergewinde wohl von der Gärtnerei Peter
Buchsbaum, Nach dem Busch 6, vielleicht aber auch von Hermann Engel,
Herrnwaldsiedlung, der noch 1949 auf einer per Post verschickten
Ansichtskarte mit der Adolf-Hitler-Straße drauf
"Herzliche Grüße Hermann Engel + Frau" flötete.
Beachte auch den NS-Doktorhut: den Winkel des Alten Kämpfers auf
dem rechten Ärmel.]
Der neue Bürgermeister Willi Graf.
Aufnahme: Foto=Harz. {*3}
[Kelkheim: Damals in Annoncen gefeiert als die
jüngste Stadt Deutschlands.]
b. {*1} Die durch ihre Möbelindustrie weit über die Grenzen von
Deutschland hinaus bekannte Stadt Kelkheim im Taunus, die erst vor
wenigen Monaten nach den Eingemeindungen von Münster und Hornau zur
Stadt erhoben wurde, hat jetzt ihren ersten hauptamtlichen Bürgermeister
als Stadt erhalten, der in einer feierlichen Ratsherrensitzung im
geschmückten Saal des Rathauses in sein Amt eingeführt wurde.
Die feierliche Einführungssitzung wurde vom Ortsgruppenleiter und
1. Beigeordneten S e e b o l d [Seebold], der auch über ein Jahr die
Geschicke der Stadt als stellvertretender Bürgermeister in vorbildlicher
Weise leitete, mit Begrüßungsworten eröffnet. Der Ortsgruppenleiter
betonte, daß es für Kelkheim eine historische Stunde sei, wenn erstmals
ein hauptamtlicher Bürgermeister die Leitung der Stadt übernimmt {*4}.
Die gesamte Einwohnerchaft setze das größte Vertrauen in den neuen
Bürgermeister, da das Wohl und Wehe der ganzen Gemeinde in seiner Hand
liege. Die Bürgerschaft hoffe, daß die Geschicke Kelkheims nach
nationalsozialistischen Gesichtspunkten geleitet würden. Sodann verlas
der Ortsgruppeneleiter die Ernennungsurkunde der Regierung {*5}.
[Spalte 2]
Landrat Dr. J a n k e [Janke] dankte zunächst dem Beigeordneten
Seebold für seine tatkräftige und eifrige Führung der Geschäfte als
stellvertretender Bürgermeister. Sodann hob er hervor, daß in
Kelkheim noch erstklassige Aufgaben zu lösen seien. Der neue
Bürgermeister müsse aus den drei zusammengeschlossenen Orten Kelkheim,
Münster und Hornau eine Stadt aufbauen, zu der alle Voraussetzungen
gegeben sind. Er wies in erster Linie auf die Möbelindustrie hin, die
als Rückgrat der Gemeinde besonders gehegt und gepflegt werden müsse.
Ferner komme die Landwirtschaft und [die] übrige Industrie hinzu. Er
erwähnte weiter, daß das große Gelände, das ein umfangreiches
Siedlungsprogramm gewährleiste, [vorhanden sei], zumal die herrliche
Lage Kelkheims und das gesunde Klima das Wohnen hier zur Freude
machen {*6}. Schließlich spiele der mustergültige Obstbau auch eine
nicht zu unterschätzende [Rolle als] Einnahmequelle, die noch erweitert
werden könne. Eine der größten Aufgaben der Nächstzeit aber sei es auch,
die Menschen, die früher drei selbständige Gemeinden bildeten, zusammen
zu führen. Mit dem Wunsch ersp[r]ießlicher Arbeit übergab der Landrat
dem neuen Bürgermeister sein verantwortungsvolles Amt.
[Spalte 3]
Die Glückwünsche der Kreisleitung überbrachte Kreisleiter
S ch e y e r [Scheyer], der den neuernannten Bürgermeister schon aus der
Kampfzeit her kennt, er hob hervor, daß dem neuen Stadtoberhaupt ein
schönes Aufgabengebiet zugefallen sei und daß er es seinem Können
zutraue, daß er die Stadt in ihrer Entwicklung noch weiter emporführe.
Am Schluß seiner Ansprache bat der Kreisleiter die Ratsherren, daß sie
wie seither stets treue Ratgeber und Helfer sein mögen.
Bürgermeister Willi Graf dankte mit herzlichen Worten für das
Vertrauen, das man ihm mit seiner Wahl bewiesen [habe]. Er versprach,
sich dieses Vertrauens würdig zu erweisen und seine ganze Kraft und
Person dem Wohl der Stadt zu widmen. Er werde die Stadt auch weiterhin
in nationalsozialistischem Sinne ausrichten und erbat dazu die
Mitarbeit der gesamten Gemeinde zum Wohl und Nutzen aller. Nach der
Verlesung des Protokolls schloß Landrat Dr. J a n k e [Janke] die
denkwürdige Sitzung mit dem Treuegelöbnis zum Führer, worauf die
Anwesenden die Nationalhymnen {*7} sangen. H. B. [Bauer] {*1}
«« ←
Textvergleich(e): 3 (4.4.2017, 21.9.2017)
{*1} Heinrich Bauer jun. (Näheres siehe andernorts)
Zum Foto: Die Reproduktion gibt die im Höchster Kreisblatt
erschienene Abbildung vollständig wieder, das heißt, daß der
"Führer und Reichskanzler des deutschen Volkes" wie eine Ne-
bensache - nämlich ohne Kopf - abgebildet ist, war damals
sicherlich eine Seltenheit. Eigentlich müßte diese Wiedergabe
als ein Affront sondergleichen aufgefaßt worden sein. Man kann
sich Szenen vorstellen, ein Hantieren mit viel Krampf, Stammeln
und dem vielfach wiederholten Hinweis auf ein höchstbedauer-
liches Versehen.
{*2} Bilderausstattung der beiden Sitzungssäle des (alten) Kelkheimer
Rathauses laut Inventur vom 31.3.1938, abgezeichnet vom Bürger-
meister I.V. Seebold.
Anläßlich der NS-Stadtgründung waren Inventarverzeichnisse ange-
fertigt worden, so auch für jeden der beiden Sitzungssäle des
Rathauses - also für den großen wie für den kleinen -, wobei für
Wertangaben zwei Rubriken vorbereitet waren: "Anschaffungswert"
und "jetziger Wert", doch wurden unter "Anschaffungswert" bis
auf eine Ausnahme, den Schrank für Fluchtlinienpläne usw., keine
Angaben eingetragen (somit entfiel hier diese Rubrik).
Die Ausschitte unten zeigen die Angaben zu den Bildern, beachte:
die Artikelbeschreibungen sind Zitate.
Aus: Inventarverzeichnis kleiner Sitzungssaal
U.a. 7 Stühle, 1 Aschenbecher
Jetziger Wert
1 Bild des Führers 5.- RM
1 " von Generalfeldmarschall Göring 3.-
[Februar 1938 zum Generalfeldmarschall befördert]
2 Bilder von Kelkheim und 1 Bild "Schiff Kelkheim" 9.-
[MS = Motorschiff, Ansichtskarte wird hier bei
Gelegenheit in der Abteilung "Fotos" wiederge-
geben.]
Aus: Inventarverzeichnis großer Sitzungssaal
U.a. 15 Stühle, 9 Hocker, 6 Aschenbecher
1 Bild von Kelkheim 300.- RM {*a}
1 Bild des Führers 30.-
[Offenbar im Goldrahmen, siehe Foto]
1 Bild des Generalfeldmarschalls Hindenburg 30.-
{*a} Fiedler-Holzhalle entlarvt eine Fälschung
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In Überarbeitung
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{*3} Foto Harz in Höchst
{*4}
{*5} Gemeint ist die "Landesregierung" in der Person des Regie-
rungspräsidenten "von Pfeffer", so zeichnet er jedenfalls in
dieser Zeit; ob "von Pfeffer" immer so seltsam zeichnete,
ist nicht bekannt, denn eigentlich heißt er Friedrich (Fritz)
Pfeffer von Salomon (zur Biographie dieses "gepfefferten"
Nationalsozialisten siehe Wikipedia).
{*6}
{*7} Deutschlandlied und Horst-Wessel-Lied
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Der Handschlag - ein Exkurs
(In Vorbereitung)
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Der Regierungspräsident {*1} Wiesbaden, den ...4. März...... 193 8.
I 2 Nr.294. Luisenstraße 13. [...]
[...]
An Dringend !
den Herrn Landrat,
Frankfurt a.M.-Höchst.
Betr. Besetzung der Bürgermeisterstelle der Stadt Kelkheim.
------------
Wie ich mit meiner Verfügung vom 25. Februar 1938 - I 2
Nr.484 - mitgeteilt habe {*2}, ist der Gemeinde Kelkheim das Recht
verliehen worden, vom 1. April 1938 ab die Bezeichnung Stadt
zu führen. Damit liegt nach § 41 DGO. {*3} die Berufung des Bürger-
meisters der Gemeinde Kelkheim mir ob. Da die Frist zur Bewer-
bung um die Bürgermeisterstelle auf Grund der im RMBliV.Sp.
212 t/212 u {*4} erfolgten Stellenausschreibung abgelaufen ist, ersu-
che ich dafür Sorge zu tragen, dass die Bewerbungsgesuche unver-
züglich dem Beauftragten der NSDAP. für den Main-Taunuskreis {*5}
zugefertigt werden und dass dieser mir alsbald seine Vorschläge
über die Besetzung dieser Stelle nach zuvoriger Beratung mit
den Gemeinderäten durch Jhre Hand vorlegt {*6}. Nach den Weisungen
des Stellvertreters des Führers sind drei Vorschläge zu machen {*7}.
Diese Vorschläge sind mir dann unter Beifügung sämtlicher ein-
gegangener Bewerbungsgesuche und einer beglaubigten Abschrift
der Niederschrift über die Beratung mit den Gemeinderäten sowie
mit Ihrer Stellungnahme alsbald vorzulegen {*8}. Wenn irgend möglich,
muss die Stelle bis zum 1. April 1938 besetzt werden.
Anzugeben bleibt noch, ob die Stelle nunmehr frei ist,
was Voraussetzung für die Neubesetzung ist. Notfalls müsste
sie
[Seite 2 = Rückseite]
sie dadurch frei gemacht werden, dass in Bad Soden auf
die Zurücknahme der Berufung des Bürgermeisters Rittgen
verzichtet wird {*9}.
J.A.
gez.von Baerensprung. {*10}
[Adler-Hakenkreuzstempel, rund, Fraktur, dunkelblau:]
Regierung des Reg.-Bez. Wiesbaden
+ Kanzlei +
[Stempel, Fraktur, dunkelblau:]
Beglaubigt:
[gez., Tinte, blau] [Unleserlich] {*11}
[Stempel, Fraktur, dunkelblau:]
Regierungs= [handschriftlich, wie oben:] Ang. [Angestellte(r)]
«« ←
Quelle: HHStAW 425,3941
Textvergleich(e): 4 (17.10.2018, 28.10.2018)
{*1} Formblatt, DIN A4, Schreiben: maschinenschriftlich, zweiseitig,
diverse Stempel und Abzeichnungen.
Nachzeichnung: Gedrucktes kursiv, Wiedergabe der Stuktur am
Original eng angelehnt, Haupttext zeichengetreu, allerdings ein-
gefügte Fußnotenkennzeichnung, Vertikal- und Zeilenabstände aus
Platzspargründen nach freiem Ermessen bzw. nicht berücksichtigt.
Lage der Abzeichnungsstempelei: Hakenkreuzstempel in der Mitte,
die beiden anderen rechts daneben.
Eingangsstempel: Kreisausschuss, Frankfurt/M.-Höchst, 5.3.1938
{*2} Weitere Fußnoten in Abeit
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HK, Mittwoch, 25. Mai 1938, S. 3
→ »»
Die Amtszeit Landrat Dr. Jankes um ein Jahr
verlängert
Glückwünsche der Kreisbeamten und =angestellten.
Die Reichsregierung hat auf Antrag des Reichsministers des
Innern und des Preuß. [Preußischen] Ministerpräsidenten {*1}
die Amtszeit des Landrats Dr. Janke um 1 Jahr bis zum 31. Mai
1939 verlängert. Da dieser im Mai das 65. Lebensjahr vollendet,
wäre er am 1. Juni ds. Js. [des Jahres] in den Ruhestand
getreten. Die Ausnahmebestimmung des Deutschen Beamtengesetzes
ist hier zum ersten Mal auf einen Landrat angewendet worden.
[Spalte 1]
Im ganzen Main=Taunus=Kreis und auch in der alten Stadt Höchst {*2}
wird diese Nachricht freudig begrüßt werden, hat es Landrat Dr. Janke
doch durch sein soziales Verständnis und seine stete Hilfsbereitschaft
verstanden[,] sich die Wertschätzung und Zuneigung weitester
Bevölkerungskreise zu erwerben. Wie schon kürzlich berichtet {*3], ist
der Main=Taunus=Kreis unter seiner Führung in erfreulicher Weise
aufgeblüht, so daß er heute zu den finanziell kräftigsten Kreisen des
Regierungsbezirks zählt.
Aus seinem Leben seien kurz einige Daten festgehalten: Landrat Dr.
Ernst Janke ist in der alten Nettelbeckstadt Kolberg a. d. [an der]
Ostsee geboren, studierte die Rechtswissenschaften in Heidelberg,
Berlin und Greifswald, war als Gerichtsreferendar und Gerichtsassessor
in seiner Heimat Pommern tätig und trat dann zur Kommunalverwaltung
über. Er war zuerst von 1904-1911 Bürgermeister der Stadt Treptow a. d.
{an der] Rega (Pommern), von 1911 bis 1919 Bürgermeister bzw.
Oberbürgermeister der alten Stadt Höchst a. M. [am Main], bis er von der
französischen Besatzungsbehörde ausgewiesen wurde {*4]. Dann war er 4
Jahre als
[Spalte 2]
als Referent im Reichsministerium des Innern tätig und trat dann auf
seinen Wunsch wegen der politischen Verhältnisse aus {*5}. Er vertrat
während dieser Zeit Rechtsanwälte.
Am 1. April 1933 wurde er vom Preuß. [Preußischen]
Ministerpräsidenten {*6} zuerst zum kommissarischen Landrat und dann
endgültig zum Landrat des Main=Taunus=Kreises berufen. Dieses Amt hat
er also jetzt 5 Jahre zum Wohl des Kreises verwaltet.
*
Heute vormittag {*7} versammelte sich die gesamte Belegschaft der
Kreisverwaltung und Assessor Dr. S i e w e r t [Siewert] {*8} gab mit
den Glückwünschen der Belegschaft der Freude Ausdruck, daß sie nun ein
weiteres Jahr unter [der] Führung Dr. Jankes an den Aufgaben des Kreises
mitarbeiten können. Auch in den Ansprachen des Obmanns der Beamten,
Inspektor B o h l e [Bohle] {*9}[,] und des Obmanns der Angestellten[,]
J u n g [Jung] {*10}[,] sowie des Medizinalrats Dr. S t a m m
[Stamm] {*11} als Leiter des Staatl. [Staatlichen] Gesundheitsamts kam
die Freude über diese Entscheidung der Regierung in herzlicher Weise zum
Ausdruck.
«« ←
Textvergleiche(e): 4 (9.6.2017, 13.6.2017, 14.9.2017, 19.5.2018)
{*1} Fußnoten in Arbeit
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Der Oberbürgermeister {*1} Frankfurt a.M., d. 27. Mai 1938 {*2}
P e r s o n a l a m t Bethmannstrasse 3,I.
[Personalamt]
IV S/R.
Betr.: Verwaltungsoberinspektor G r a f . [Graf.]
Vorg.: Ihr Schreiben vom 19·5·1938 - Tgb.A.
Nr. 551 -.
Auf Ihr Schreiben vom 19.5.1938 teile ich Ihnen
mit, dass ich die Personalakten des Verwaltungsoberinspektors
G r a f [Graf] bei der Staatspolizeileitstelle Karlsruhe, wohin
sie inzwischen von dem Reichsführer - SS abgegeben worden sind,
angefordert habe. Ich werde Ihnen die Akten sofort nach Eingang
zusenden.
In Vertretung {*3}
An den [gez. (Kürzel, unbekannt)]
Landrat des Main-Taunus-Kreises
Frankfurt a.M. - Höchst
Kreishaus, Bolongarostrasse 101.
«« ←
Quelle: HHStAW 425,3941
Textvergleich(e): 5 (15.5.2018, 18.5.2018, 19.5.2018, 11.7.2018)
{*1} Maschinenschriftliches Schreiben, DIN A5, Antiqua. Abschrift:
Nachzeichnend, außer: Zeilenabstände nur nachempfindbar, im
Fließtext freier Zeilenbruch.
Eingangsstempel: Kreisausschuss, Frankfurt/M.-Höchst, 30. Mai
1938
{*2} "27." mit Violettstift eingetragen.
{*3} Grauer Stempel, Fraktur.
-----&-----
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Der Oberbürgermeister {*1} Frankfurt a.M., den 13 Juli 1938 {*2}
P e r s o n a l a m t Bethmannstr. 3, I.
[Personalamt]
IV/Si/B
Betr.: Personalakten des V.O.I. Willi GRAF.
Auf Ihr Schreiben vom 21· 6·1938 an den Herrn
Reichsführer der SS. und Chef der Deutschen Polizei.
Der Reichsführer der SS. und Chef der Deutschen Polizei,
Berlin, hat mir mitgeteilt, dass er die Staatspolizeistelle
München angewiesen habe, die Personalakten des V.O.I. GRAF
umgehend der Stadtverwaltung zurückzusenden. Unter Beziehung auf
Ihr obenbezeichnetes Schreiben und Ihr an mich gerichtetes
Schreiben vom 6. 7.1938 gebe ich Ihnen hiervon mit dem Bemerken
Kenntnis, dass ich die Staatspolizeistelle München auch von hier
aus noch um alsbaldige Uebersendung der Personalakten gebeten
habe.
Sobald die Akten hier eingegangen sind, werden sie Ihnen
übersandt werden.
Im Auftrag. {*3}
An [gez. Weingärtner(?)]
den Herrn Landrat
des Main=Taunus=Kreises
Frankfurt a.M.= Höchst
Kreishaus, Bolongarostr.101
«« ←
Quelle: HHStAW 425,3941
Textvergleich(e): 5 (9.5.2018, 14.5.2018, 19.5.2018, 11.7.2018)
{*1} Maschinenschriftliches Schreiben, DIN A5, Antiqua. Abschrift:
Nachzeichnend, außer: aus Platzgründen Adreß- und Datumblock
etwas nach links verschoben, Zeilenabstände nur nachempfindbar,
im Fließtext freier Zeilenbruch.
Eingangsstempel: Kreisausschuss, Frankfurt/M.-Höchst, 15. Juli
1938
{*2} "13" mit Violettstift eingetragen.
{*3} Grauer Stempel, Fraktur.
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Va Banque SS
In einem zweiseitigen Schreiben {*1} vom 10. August 1938 teilt der
Wiesbadener Regierungspräsident, von Pfeffer, dem Landrat des Main-
Taunus-Kreises in Frankfurt a. M.-Höchst, Janke, Inhalte und Formalien
mit, die die Ernennung des Willi Graf zum hauptamtlichen Bürgermeister
von Kelkheim betreffen {*2}. So enthält das Schreiben auch einen Ent-
wurf der Einstellungsurkunde, wobei angeordnet wird: "Die Unterzeichnung
hat durch den beauftragten Ersten Beigeordneten Seebold [Georg Seebold
5.] und einen der beiden Stadträte {*3} zu erfolgen."
Zum Verständnis des "a.D." (außer Dienst) in dem unten wiedergegebe-
nen Entwurf: Graf mußte, um die Anstellung zu bekommen, beim Frankfurter
Oberbürgermeister ein weiteres (!?) Jahr Beurlaubung beantragen oder
aber seine Entlassung einreichen. Die Entscheidung wurde schließlich von
von Pfeffer ultimativ gefordert, binnen 48 Stunden. Es kam zur Entlas-
sung.
Auf das offenbar zögerliche, unschlüssige Verhalten des Graf sowie
den nicht unkomplizierten und bislang auch noch nicht ganz durchschau-
baren Vorgang der Ernennung kann hier nicht detailliert eingegangen wer-
den {*4}. Naja, besonders freundlich ist der Ton des Regierungspräsiden-
ten von Pfeffer nicht gerade und dies wird sich in der Folgezeit deutli-
cher zeigen. Von Pfeffer hatte scheinbar seine Wahrnehmungen gemacht; im
Übrigen hatte auch ein von ihm angeordnetes Vorstellungsgespräch statt-
gefunden (nach dem Verhaltensmuster sicherlich: "Obernazi befindet über
Aufstiegsnazi"). Jedenfalls wirkt der Hinweis auf den besonderen Schutz
des Führers in der verschraubt doppelbödigen Nazidiktatursprache eher
wie ein prophylaktisch erhobener Zeigefinger (mit dabei: Eigenschutzhin-
tergedanken).
Die folgende Abschrift des Entwurfs ist zeichengetreu wiedergegeben
(lediglich "Beauftragter Erster Beigeordneter" mußte etwas nach rechts
versetzt werden). Der Entwurf des Regierungspräsidenten wird eingeleitet
mit "Der Urkunde empfehle ich folgenden Wortlaut zu geben:"
→ »»
" Ernennungsurkunde.
Auf Grund der Verfügung des Regierungspräsidenten vom
10.August 1938 - I 2 Nr. 1965 III - wird der Verwaltungs-
Oberinspektor a.D.Willi Graf in Frankfurt a.M. hiermit unter
Berufung in das Beamtenverhältnis für die Zeit vom .........
bis ....... zum hauptamtlichen Bürgermeister der Stadt Kelk-
heim ernannt.
Diese Urkunde wird in der Erwartung vollzogen, daß
der Ernannte getreu seinem Diensteide seine Amtspflichten
gewissenhaft erfüllt und das Vertrauen rechtfertigt, das ihm
durch die Ernennung bewiesen wird. Zugleich darf er des be-
sonderen Schutzes des Führers und Reichskanzlers sicher sein.
Kelkheim, den . . . . . . .
Der Bürgermeister
J. V. J. V. {*5}
. . . . . . . . . .
Beauftragter Erster Beigeordneter Stadtrat. "
«« ←
Quelle: HHStAW 425,3941
Textvergleich(e): 6 (18.6.2018, 12.7.2018, 23.8.2018)
{*1} 1 Blatt, DIN A4
{*2} Eingangsstempel: Kreisausschuss, Frankfurt/M.-Höchst, 13.8.1938
{*3} Es nicht klar, wen von Pfeffer zu den "beiden Stadträten" zähl-
te. Bis zum 31.3.1938 gab es 3 Beigeordnete und 8 Gemeinderäte.
Nach der am 1. April erfolgten nationalsozialistischen Stadt-
gründung ergibt sich aus der Quellenlage zur Besetzung kein ein-
heitlicher, also kein ganz klarer Sachverhalt (so der derzeitige
Stand der Nachforschungen, siehe dazu andernorts). Anscheinend
ist aber die folgende Angabe zur Zusammensetzung die richtige: 3
Beigeordnete (je einer aus Kelkheim, Hornau und Münster) und 12
Ratsherren (6 für Kelkheim, je 3 für Hornau und Münster). Da
Seebold der Beauftragte Erste Beigeordneter war, könnten mit
"Stadträte" die anderen beiden Beigeordneten gemeint sein; für
diesen Fall spräche eine gewisse Logik.
Im HK vom 18. Juni 1938, S. 4, sind als Beigeordnete außer dem
NSDAP-Ortsgruppenleiter Seebold Möbelfabrikant Alois Bender
(Hornau) und Maurermeister Peter Herr [6.] (Münster) genannt.
Herr 6. war NSDAP-Mitglied, Bender bis 1937 nicht, allerdings
ist das Profil Benders ingesamt noch nicht erforscht, auch ist
noch nicht klar, ob hier nicht eine Verwechslung vorliegt, denn
der Hornauer Alois Bender ist kaufmännischer Angestellter, aber
kein Möbelfabrikant; Erörterung siehe andernorts).
{*4} Kurze Hintergrundinformation zum "Leben und Werk" des Graf 1938/
1939: Die Laufzeit des Amts erstreckte sich (damals) über 12
Jahre, beginnend mit dem Tag der (feierlich begangenen) Ernen-
nung. Das erste Jahr galt als Probezeit, mit anderen Worten:
Der SS-Bürgermeister Graf in Kelkheim hat im ersten Jahr zu
"liefern", sonst sitzt er auf der Straße oder muß von irgendwem
aufgefangen werden. Graf besteht aber. Janke-Nachfolger Dr.
Franz Brunnträger, vormals NSDAP-Kreisleiter des Main-Taunus-
Kreises, dann kommissarischer Landrat in St. Goarshausen, NSDAP-
Kreisleiter ebenda, danach in der "Landesregierung" Wiesbaden
tätig, bestätigt dem Regierungspräsidenten auf dessen Anfrage,
Graf habe gute Arbeit geleistet.
{*5} In Schreibmaschinenschriftsätzen der damaligen Zeit wird sehr
oft "J" anstelle von "I" verwendet.
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FV (Frankfurter Ausgabe), Samstag, 27. August 1938, S. 8, Abteilung:
Rhein~Main~Gebiet
→ »»
Kelkheims erster Bürgermeister {*1}
Kelkheim (Taunus), 26. August
Die durch ihre Möbelindustrie bekannte Stadt Kelkheim im Taunus, die
erst vor wenigen Monaten nach den Eingemeindungen von Münster und Hornau
zur Stadt erhoben wurde, hat jetzt ihren ersten hauptamtlichen
Bürgermeister als Stadt erhalten. Der neue Bürgermeister Willi G r a f
[Graf] war Verwaltungsoberinspektor bei der Stadtverwaltung in Frankfurt
und wurde auf Vorschlag des Beauftragten der NSDAP. mit Genehmigung des
Regierungspräsidenten zum Bürgermeister der Stadt Kelkheim ernannt.
«« ←
Textvergleiche(e): 4 (18.10.2017, 19.5.2018)
{*1} Der Titel ist extrem mißverständlich. Graf war der erste
Bürgermeister des zur Stadt erhobenen Kelkheims.
[1938_4]
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