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Do never give up
- Prez (Lester Young)
and die at 49
- DP
Vorbemerkung
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Die vorliegende Ausgabe der Arbeit "Strawinsky-Interpretationen
1946 - 1985, ein Verzeichnis westdeutscher Rundfunkaufnahmen" ist ein
Provisorium, eine "Notedition", sie ist unredigiert und über weite
Strecken auch unkorrigiert. Warum macht man eine solche Verrenkung?
Wie schon das Matrix-Druckbild zeigt, ist dies ein Computer-Ausdruck.
Es war mir nämlich freundlicherweise erlaubt worden, den Text in eine
Großrechneranlage schreiben zu dürfen (Textverarbeitungsprogramm: DCF,
interaktives Betriebssystem: CMS). Nun kann man aber eine derartige
Anlage nicht "ewig" in Anspruch nehmen, und es kam, was kommen mußte: es
wurde eine endgültige Frist gesetzt, die Anlage zu verlassen, und jetzt
ist diese Frist um. Eine Bandüberspielung aller Texte und Steuerungen
erhalte ich. (Für sämtliche Hilfestellungen, die man mir gewährte,
möchte ich mich hier an dieser Stelle bedanken.)
Natürlich bedeutet das alles, daß die Zukunft des "Anhangs" sehr
ungewiß geworden ist. Wie es weiter geht, weiß ich derzeit nicht. Es
könnte sein, daß ich die Korrekturen handschriftlich in den
Computer-Ausdruck einfüge und noch einmal eine Auflage starte, wobei bei
dieser Art von Korrekturprozedur Textteile wohl kaum oder nur mit großen
Mühen geändert werden könnten. Ein anderer Weg wäre die Umsetzung auf
einen Heim- oder Personal Computer. Doch die Probleme, die sich dabei
fraglos ergäben, dürften nicht einfach zu lösen sein. Allein schon ein
Blick ins Register macht schwindlig, denn hier scheiterte an der Länge
mancher Eintragungen bereits das professionelle DCF (vgl. Kölner RSO,
und beachte auch, wie ich mir mit Plus-Zeichen geholfen habe).
Ein paar Hinweise zum Stand der Arbeit dürften ganz angebracht
sein:
1) Die Vororientierungen und Werkvorspänne (Rahmendaten zu den Wer-
ken) sind sachlich überprüft (Stand meiner Aufzeichnungen: Januar
1985, Korrekturabschluß: 8. April 1985). Es existieren noch unauf-
gearbeitete Materialien.
2) Weitestgehend unkorrigiert ist das gesamte Aufnahmenverzeichnis,
hier steht noch der strenge Vergleich zwischen der (Schreib-
maschinen-)Arbeitskartei und der Computer-Abschrift aus. Namen
und Bezeichnungen, die im Interpretenregister mehr als einmal
vorkommen, können allerdings als korrigiert gelten, denn
unterschiedlichen Schreibweisen, die dort auftraten, ist sofort
nachgegangen worden (somit bildete das Register teilweise eine
Art Korrekturhilfe).
3) Im Aufnahmenverzeichnis sind die meisten diakritischen Zeichen
(z. B. è, é) eingefügt worden, im Interpretenregister aber fehlen
sie, weil sie bis vor kurzem noch falsch umgesetzt wurden. Nun
bestand keine Zeit mehr, die für das Register zuständigen Eintra-
gungen dem Schreibweisenstand anzupassen, den die Registerverar-
beitung mittlerweile zuläßt. (DCF ist ein amerikanisches Textver-
arbeitungsprogramm, dessen Behandlung ungewohnter Buchstaben [z.
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Vorbemerkung Seite 1.3
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B. deutsche Umlaute, Buchstaben mit diakritischen Zeichen] nicht
von vornherein problemlos vonstatten geht.)
Ich habe vermieden, den Text vor dem Druck noch einmal durchzugehen.
Wahrscheinlich wäre dann der Mut zur Veröffentlichung geschwunden. Zu
unzulänglich sind manche Formulierungen und Gedanken in den Vororientie-
rungen, zu unzulänglich ist auch im eigentlichen Verzeichnis die äußere
Form zahlreicher Fußnoten. Schon fast wieder schön, weil so überaus
behelfsmäßig wirkend, sind die nicht eingerichteten Seitenumbrüche, auch
die abgetrennten, einsamen Fußnoten haben ihren Reiz. Man muß den ganzen
Ausdruck eben als eine Art Veröffentlichung mehr oder minder privater
Natur ansehen. Zurück zum Einfacheren! An Retuschen war überhaupt nicht
zu denken (zwei kleinere Korrekturen gab's aber doch, vgl. Double canon
und Scherzo à la russe). Es ist vollkommen klar: Die Herausgabe darf
sich um keinen Tag verzögern. [Anmerkung: Errata-Zettel, siehe unten]
Das Deutsche Rundfunkarchiv hat 1972 eine Strawinsky-Phonographie
veröffentlicht. Die dort gelisteten "Fremdinterpretationen" kommen hier
alle noch einmal vor, [Textänderung: wobei versucht wurde, die vorgege-
benen Daten anhand der Quellen zu überprüfen. Dabei zeigte sich schnell,
daß die Karteinachweise der Sender die grundlegenden und unerläßlichen
Recherchequellen sind. Für den Großteil des Aufnahmenfundus glückte es
denn auch, dieses Quellenmaterial - in welchem Ausfertigungszustand
es sich im Einzelfall auch befand - heranzuziehen. Ausgezogene,
abschriftliche Listen oder sonstige mehr oder minder abhängige Tertiär-
quellen sind kein guter Ausgangspunkt, wie man sich denken kann. Ergänzt
wurde das Karteninstrumentarium noch durch Literaturstudium, besondere
Recherchen usw. Wie gesagt, die Fremdinterpretationen der DRA-Phono-
graphie kommen hier im Prinzip noch einmal vor, doch konnte in vielen
Fällen entweder durch Fehlerberichtigung oder Erweiterung der Datenper-
spektive eine Informationsbereicherung erreicht werden. Es wird im übri-
gen kaum Verzeichnisse geben, die nicht auf Vorangegangenes aufbauen.]
Wer zu Strawinskys eigenen Schallplattenaufnahmen Informationen
sucht, sollte zunächst die Diskographie David Hamiltons zu Rate ziehen.
Natürlich ist sie vollkommen überholt, aber sie braucht sich ihres
Alters nicht zu schämen. David Hamilton, Igor Stravinsky: A discography
of the composer's performances, in: Benjamin Boretz/Edward T. Cone,
Perspectives on Schoenberg and Stravinsky, Princeton 1968; überarbeitete
Fassung als Beilage in dem amerikanischen LP-Set Columbia D5S 775,
veröffentlicht 1970; erneut verbessert, in: Perspectives of New Music,
Spring-Summer 1971/Fall-Winter 1971 (special double issue); letzte Revi-
sion, in: Benjamin Boretz/Edward T. Cone, wie oben, New York 1972.
Die DRA-Phonographie ergänzt diese Diskographie Strawinskyscher
Eigeninterpretationen insofern ganz gut, als sie u. a. auf Rundfunkpro-
duktionen (Konzertmitschnitte und Studioproduktionen) hinweist, die in
den 50er und 60er Jahren in Europa entstanden sind (ganz vollständig
sind diese Nachweise jedoch nicht). Eine beachtliche Anzahl der Auf-
nahmen ist mitterweile auf Transcription- und LP-Ausgaben erschienen.
Über die zahllosen Konzertmitschnitte, die in den USA gemacht worden
sind, ist bislang kein Nachweisverzeichnis veröffentlicht worden. Doch
gibt es eine ganze Reihe dieser Bänder schon auf Platten.
Das immens weite Feld der Fremdinterpretationen auf Schallplatten -
das von der DRA-Phonographie [Anmerkung: so gut wie] ausgeklammert wor-
den war - hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten fast verselbständigt.
Für die Zeit bis ca. 1955 benutze man als Nachschlagewerk die diversen
Bände der "World's encyclopaedia of recorded music" von Francis F.
Clough und G. J. Cuming. Für die Zeit danach muß man sich behelfen, so
z. B. mit dem 1978 von Kurtz Myers herausgegebenen "Index to record
reviews". Es gibt zwar zahllose Kleindiskographien und einfache
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Auflistungen, aber empfehlen kann man kaum eine davon (die meisten
dieser Listen wären wohl auch nur unter erheblichen Mühen erreichbar).
Ich hatte im August 1983 damit begonnen, den "Anhang" in den Computer
zu tippen, doch eine schnelle Reinschrift wurde das nicht: es war mir
klar geworden, daß ein Verzeichnis deutscher Rundfunkaufnahmen ohne eine
genauere Kenntnis der geschichtlichen Rahmensituationen nicht verfaßt
werden kann und daß blinde Datenwiedergabe sachliche und begriffliche
Fehler aller Art produziert. Wie merkwürdig derlei Fehler sein können,
ließe sich z. B. sehr leicht an zahllosen Karteikarten der Anstalten
illustrieren. Die weiter oben betonte Autorität hat also auch ihre Gren-
zen! Gerade die älteren Karten sind oft nichts weiter als karge
Nachweiszettel, manche gleichen eher Memos. Erfahren diese "Dokumente"
im Laufe der Zeit dann auch noch Abschriften, Neufassungen, handschrift-
liche Zusätze und dergleichen, so überrascht nicht, wenn z. B. im Zuge
einer archivarischen "Vereinheitlichung" aus dem "Radio-Orchester uvw"
der Nachkriegszeit auf einfache Weise ein "Rundfunk-Sinfonie-Orchester
xyz" späterer Zeit wird. Es sollte an dieser Stelle vielleicht auch
erwähnt werden, daß vollkommen fehlerfreie oder dokumentarisch voll
befriedigende Strawinsky-Karten gar nicht so häufig vorkommen, die Regel
sind sie auf keinen Fall. Wie Karteikarten, oder neuerdings
EDV-Erfassungen, entstehen, wäre ein Kapitel für sich. Die häufigste
Methode ist das sich ständig perpetuierende Abschrift-Prinzip. Gelegent-
lich wird man aber auch gewahr, daß offenbar der Stand der Referenzlite-
ratur nicht aktualisiert wurde oder daß zumindest die Wahl dieser
Literatur nicht glücklich getroffen worden ist. Ein ähnliches Informa-
tionsdefizit empfindet man auch, wenn es um den Aufnahmeprozess als
solchen geht (man muß aber gerechterweise hinzufügen, daß hier offenbar
einiges in Bewegung geraten ist).
Ich beschäftigte mich also im Überblick mit Rundfunkgeschichte und
hierbei insbesondere mit der Geschichte der Gebäude, Studios,
Klangkörper, Konzertaktivitäten etc. Es entstanden die Vororientie-
rungen. Ursprünglich war geplant, die Nachforschungen zu Studios und
Konzertsälen in einen gesonderten akustischen/raumakustischen Teil
münden zu lassen, in dem am Notenmaterial entlang Rundfunkaufnahmen
klanganalytisch unter die Lupe genommen werden sollten. Dieses Vorhaben
habe ich fallen gelassen (es hätten sich plastische Ergebnisse einge-
stellt; ob dies noch einmal aufgegriffen wird, glaube ich nicht; wenn
ja, dann nur in einem anderen Zusammenhang).
Es fehlt der Dokumententeil und das Literaturverzeichnis, und somit
fehlt z. B. auch den vielen Verweisen der Bezug. Erwähnt werden sollte
in diesem Zusammenhang vielleicht, daß mir die Strawinsky-Forschung,
soweit sie das Arbeiten an einem (Aufnahmen-)Verzeichnis tangiert, wohl
im wesentlichen bekannt sein dürfte. Aufgearbeitet ist auch neueste
Literatur, z. B. John Shepard, The Stravinsky "Nachlass": A provisional
checklist of music manuscripts, in: Notes, Juni 1984. Auch wichtige
Werkkataloge, Ausstellungskataloge und dergleichen sind berücksichtigt,
z. B. Igor Stravinsky - La carrière européenne, Paris 1980 (Herausgeber:
Festival d'Automne à Paris/Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris);
Programmheft des International Stravinsky Symposium, Stravinsky 100, San
Diego 1982; Clifford Caesar, Igor Stravinsky - A complete [? DP]
catalogue, San Francisco 1982 [Anmerkung: Kommentar gestrichen];
Strawinsky - Sein Nachlass. Sein Bild., Basel 1984 (Herausgeber: Kunst-
museum Basel). Wichtig ist auch ein Hinweis auf die limitierte Sonder-
auflage, die es von der zweiten (i. e. die 1979er) Ausgabe des von Eric
Walter White verfaßten Strawinsky-Buches gibt; sie enthält als Vorspann
das Programm des Londoner Strawinsky Festival (mit etlichen
Erstaufführungen). Mittlerweile gibt es Whites Buch auch in einer
französischen Fassung, für die Louis Cyr (siehe unten) einen Teil der
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Werkrahmendaten überarbeitet hat. Noch nicht aufgearbeitet ist der von
Robert Craft edierte erste Band der Briefe (Craft bietet immer viel
Material an, doch nur selten entstehen dabei keine langwierigen Pro-
bleme). Ein ungeheuerlich schlechtes Erzeugnis ist das von
Dominique-René de Lerma herausgegebene Verzeichnis: Igor Fedorovitch
Stravinsky, 1882-1971, A practical guide to publications of his music,
Kent (Ohio) 1974. Dieses ziemlich "ausführliche" Werk ist eine einzige
Ansammlung von Fehlern und Dummheiten (ein Comic-Strip im
allerwörtlichsten Sinn).
Man beachte, daß die Rahmendaten zu den Werken nur sehr verkürzte
Auszüge aus dem Hauptteil darstellen. Was die gewählte Stenogramm-Anlage
im einzelnen zu bedeuten hat, kann hier nicht erläutert werden.
Es ist mir sehr wichtig darauf hinzuweisen, daß meine Art
Diskographie zu betreiben, musik- und nicht zahlenorientiert ist (und
angesichts der Gigamassen an U- und E-Stroh ist mit "Musik" mehr gemeint
als nur Klingendes oder Notentext). Eine "wertfreie" Dokumentation oder
Diskographie liegt mir nicht, ganz abgesehen davon, daß es Wertfreiheit
überhaupt nicht gibt. Deshalb kann ich auch nicht umhin, zumindest auf
einige editionskritische Arbeiten hinzuweisen, von denen jedes "musika-
lische" Verzeichnis schon auf der ersten (Material-)Stufe sehr viel ler-
nen kann. Norman Del Mar, Confusion and error, in: The Score, Oktober
1957; Norman Del Mar, Orchestral variations, Confusion and error in the
orchestral repertoire, London 1981; Claudio Spies, Editions of
Stravinsky's music, in: Benjamin Boretz/Edward T. Cone, Perspectives on
Schoenberg and Stravinsky, New York 1968, 1972 (2. Auflage); Claudio
Spies, Stravinsky, in: American Society of University Composers,
Proceedings of Regional Meetings, 5, New York 1971 (Vortrag, gehalten
auf dem am 13. März 1971 veranstalteten ASUC-AMS Meeting "The musical
present as history to be: sources and documents"); Louis Cyr, Le sacre
du printemps, Petite histoire d'une grande partition, in: François
Lesure (Hrsg.), Stravinsky, Paris 1982; Louis Cyr, Stravinsky's 'Le
sacre du printemps', in: Tim Ayers (Hrsg.), Art at auction, The year at
Sotheby's 1982-83, London 1984. Man achte auch auf die im Erscheinen
begriffene Faksimile-Ausgabe der Feuervogel-Partiturhandschrift
(Gesamtballettfassung; Herausgeber: Conservatoire de Musique, Genf); sie
wird u. a. eingeleitet von einem Aufsatz, der neben Notentextproblemen
auch Editionsfragen anreißt [Anmerkung: Verfasser ist Louis Cyr].
Soweit das Gebiet der Rundfunkgeschichte betroffen ist, habe ich
größtenteils auf für mich zugängliche Literaturbestände des DRA (Abtei-
lung: Historisches Archiv) zurückgegriffen. Gelegentlich wird in den
Vororientierungen das "Datengefummel" ausgiebig betrieben. Das hat u. a.
den Grund darin, daß in zig Schriften und Materialien zig Abweichungen
auftauchen. Doch genau dieses "Gefummel" setzt einen in den Stand, nicht
von jeder x-beliebigen Variante, auf die man stößt, ins Bockshorn gejagt
zu werden (ohne Literaturverzeichnis ist dies alles natürlich nur
Behelf).
Sehr bedauerlich ist, daß keine Zeit blieb, die Materialbestände des
Internationalen Musikinstituts Darmstadt einzusehen. Es sollen z. B.
Bandaufnahmen existieren. Wenn es sie gibt, würden sie den betreffenden
Abschnitt im HR-Artikel sehr gut ergänzen. Vielleicht kann in der korri-
gierten Fassung das eine oder andere eingebaut werden.
Die Bitte um Hilfe kann in Ausbeutung ausarten. Louis Cyr ist von mir
ausgebeutet worden, und das nicht zu knapp.
Die Auflage des "Notdrucks" beträgt fünf (vielleicht zehn) Stück.
DP, April 1985
[vorbem]
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