Vororientierungen [Stand 1985] Seite 86
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Rundfunk im amerikanischen Sektor Berlin (RIAS)
1) Aufnahmeräume (heutige Situation kurzgefaßt)
Im Funkhaus steht für klassische Produktionen eigentlich nur der Sen-
desaal Studio 10 zur Verfügung. Deshalb wird er insbesondere im Bereich
der Orchester- und Chormusik ergänzt durch die Jesus-Christus-Kirche.
Daneben entstehen Mitschnitte in zahlreichen Konzertsälen und Kirchen.
2) Rahmendaten zur Entwicklung
Die rundfunkpolitische Entwicklung des RIAS nahm im Vergleich zu den
westdeutschen Anstalten einen anderen Weg. Erstens steht er heute noch
unter amerikanischer Aufsicht. Zweitens war er zumindest dem Buchstaben
nach relativ lange ein vom Militär kontrollierter Sender. "Entmilitari-
siert" wurde er erst Mitte 1955 durch die Eingliederung in die United
States Information Agency/USIA (auch: United States Information
Service/USIS, ab ca. 1980: International Communication Agency/ICA),
einer Einrichtung des Auswärtigen Amtes und der amerikanischen Botschaft
(Department of State und American Embassy).
Die Funktätigkeit begann der RIAS als DIAS (Drahtfunk im amerika-
nischen Sektor) offiziell am 7. Februar 1946. Seine Gründung geht auf
eine am 21. November 1945 gefällte Anordnung des damaligen Befehlshabers
der amerikanischen Militärregierung zurück. Man wollte sich durch eine
eigene Station von der Programmpolitik, die die Sowjets im Haus des
Rundfunks betrieben, unabhängig machen (vgl. SFB). Gesendet wurde auf
Langwelle, als Kabelanlanlage diente das größenteils zerstörte Draht-
funk- und Fernmeldenetz der Post. Als mit diesem Provisorium keine Fort-
entwicklung der Funkarbeit mehr möglich schien, wechselte man auf
Mittelwellen-Rundfunk über, aus DIAS wurde RIAS (ganz abgeschafft wurde
der Drahtfunk allerdings erst viele Jahre später). Das Datum der ersten
Sendung unter dem neuen Namen scheint nicht genau festzustehen, genannt
werden jedenfalls in den greifbaren - ernsthaften - Quellenmaterialien
von Fall zu Fall der 4. oder 5. September 1946.
Beachte: 1) Der DIAS/RIAS war anfangs kein reiner Militärsender; das
zeigen z. B. auch frühe Plakate, dort steht unmißverständlich: Drahtfunk
im amerikanischen Sektor G.m.b.H. (vgl. das Foto in Bausch 1, 1980). Die
formal verbriefte Umwandlung in einen vom Militär kontrollierten Sender,
kam dann aber spätestens im November 1946, als der RIAS rückwirkend zum
1. September direkt der amerikanischen Militärregierung von Berlin
unterstellt wurde (Office of Military Government - Berlin Sector/OMG-BS,
die Zentrale hieß: Office of Military Government for Germany United
States/OMGUS; die Schaltstelle zwischen OMGUS und Rundfunk war die
Informationen Control Division/ICD, ab 1948: Information Services
Division/ISD [regional gab es, vor allem in der Anfangszeit, kleine
Abweichungen in den Bezeichnungen]; Nachfolger von OMGUS wurde im Sep-
tember 1949 der U.S. High Commissioner for Germany/HICOG, wieder mit der
ISD als Zwischenschaltstelle). 2) Der DIAS wurde in Berlin oft auch ein-
fach "Drahtfunk" genannt. Trifft man aber heute beim Studium früher
Programmaterialien (Zeitungen usw.) auf dieses Kürzel, darf man nicht
vorschnell auf DIAS schließen. Zur etwa gleichen Zeit nämlich sendete
auch der NWDR Berlin über Draht (vgl. unter SFB). Wenn man Glück hat,
hilft das Datum der Quelle ein Stück weiter. Ein Beispiel: Im Programm-
heftchen der 1946er Kranichsteiner "Ferienkurse" - sie fanden vom 25.
August bis 29. September statt - ist ein Grußwort abgedruckt, dessen
örtliche Herkunft mit "Berlin-Drahtfunk" ausgewiesen ist. Da der NWDR
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Berlin seit dem 15. August kein eigentlicher Drahtfunk mehr war, kann
hiermit eigentlich nur der DIAS gemeint sein.
Als der RIAS (DIAS) begann, verfügte er über kein eigenes Funkhaus.
Er war behelfsmäßig untergebracht auf dem 3. Stock des Post- und Fern-
sprechamtes, dem sogenannten Fernamt, Winterfeldtstraße 28/30, Berlin-
Schöneberg. (In unmittelbarer Nähe befand sich der Sportpalast.) Ein
paar Büroräume bildeten den "Funkkorridor". Man hatte zwei Sprecherräume
und ab ca. September 1946 den "Sendesaal" (Studio 3) zur Verfügung.
Dieser Raum hatte, großzügig gerechnet, vielleicht 200 cbm, dennoch
bedachte man ihn neben "Musikstudio" gern mit dem Titel "Großer Sende-
saal". Seine "variable Akustik" für Wort- bzw. Musikproduktionen wurde
mit Hilfe von Vorhängen geregelt (vgl. das Foto in Ehlers, 1949).
Ein deutlicher Fortschritt gelang November/Dezember 1946, als man
damit beginnen konnte, den mit 300 Sitzplätzen ausgestatteten Kleistsaal
in der Kleiststraße (Schöneberg) als Probestudio zu nutzen (rd. 1200
cbm, 1,0 bis 1,2 sec/Q 1953, "variable Akustik" durch Fenstervorhänge).
Ab Januar 1947 übertrug der RIAS von hier seine ersten größeren Veran-
staltungen und im Sommer endlich scheint die Technik für Studioaufnahmen
dem Betrieb übergeben worden zu sein.
Neben dem Saal 1 im Haus des Rundfunks und dem Kleistsaal gehört zu
den wichtigen Westberliner Konzerträumen dieser frühen Zeit inbesondere
der am 26. Mai 1945 wiedereröffnete Titania-Palast, Schloßstraße 5, in
Steglitz. Er diente, bevor 1954 der große Saal der Hochschule für Musik
dem Betrieb übergeben wurde (vgl. unten), u. a. den Berliner Philharmo-
nikern als Konzertsaal. Veröffentlichte Details zur Chronik des "Pala-
stes" sind selten; neben dem Konzert zur Wiedereröffnung (mit den Ber-
liner Philharmonikern unter Leo Borchard) können hier noch zwei griffige
genannt werden: Am 7. September 1947 übertrug der RIAS aus dem - wie es
betriebstechnisch hieß - "Konzert-Studio Titania-Palast" das erste
öffentliche Konzert des RIAS-Symphonie-Orchesters (Dirigent: Walter
Sieber). Eine der letzten großen klassischen Veranstaltungen war
Strawinskys Auftritt vom 2. Oktober 1956 mit dem Radio-Symphonie-Orche-
ster Berlin (vgl. SFB). Man beachte, daß dieser historisch bekannte
Raum - 1927 oder 1928 als Stummfilmkino erstellt, 1942 von Goebbels für
die Ufa enteignet - einige mehr oder minder einschneidende Änderungen
erfuhr, vor und nach dem Krieg! 1930 oder 1931 z. B. wurde er für den
aufkommenden Tonfilm gedämpft, im Sommer 1949 hingegen - seiner neuen
Hauptaufgabe entsprechend - wieder entdämpft und zugleich mit einem
neuen Bühnenausbau versehen (Fertigstellung des Umbaus spätestens am 8.
September). Als ernstzunehmender Konzertsaal kam dann der Palast von
November/Dezember 1956 an nicht mehr in Betracht. Er diente nun jahre-
lang vor allem als Film-Uraufführungstheater, wobei man die Resonanz
selbstverständlich wieder reduziert hatte, und zwar auf eine mittlere
Nachhallzeit von etwa 1,0 sec (vgl. unten). Innenraumfotos (Ausschnitte)
vom September 1963, nach einer erneuten Umgestaltung (diesmal für
Operettenzwecke): Gabler, 1964.
RR Titania-Palast: rd. 10000 cbm (rechteckiger Grundriß, gewölbe- bzw.
kuppelartig modellierter Raum; von 1949 bis 1956 ist diese Innen-
architektur besonders prägnant, wobei der Bühnenteil an die Holly-
wood-Bowl erinnert; 1,8 sec/Q 1950 und 1953 (Messungen nach dem
1949er Umbau, unmittelbar davor: 1,5 sec/Q 1950), ca. 1850 Sitzplätze
(leicht ansteigend, U-Rang). Innenraumfotos: Winckel, 1950 (in
Richtung Bühne und Zuschauerraum); Winckel, 1953 (in Richtung Bühne).
Vom 1. Juli 1948 an erfolgte der Sendebetrieb aus dem neuen Funkhaus
in Schöneberg (Kufsteiner Straße 69, direkt am Schöneberger Stadtpark).
Hierzu zwei Randbemerkungen: 1) Statt des Datums 1. Juli wird in der
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Literatur im allgemeinen der 6. Juli, der Tag der feierlich-offiziellen
Inbetriebnahme, angegeben. 2) Am "neuen" Funkhaus war nur der Ausbau
neu, alt war das Gebäude: ein 1938 erstellter Büroblock, der trotz vie-
ler Kriegsschäden wiederaufbaufähig schien. Gebaut hatten den Block zwei
Firmen, die Bayerischen Stickstoffwerke - I.G. Farben und eine Spedition
namens Transla. Von dem einen Besitzer, den "Stickstoffwerken", kündet
noch heute schemenhaft das damalige Firmenzeichen (eine Plakettenform),
links und rechts über dem Eingang. Das neue Haus ermöglichte dem RIAS
zwar sehr viele Verbesserungen im Funkbetrieb - es besaß z. B. einen
durchaus adäquaten Mehrzweckraum (Studio 6: rd. 650 cbm, 0,9 sec/Q 1953;
neu ausgestattet, heute noch in Betrieb) -, doch ein großes Musikstudio,
einen Sendesaal gar, hatte es nicht. Und so begann man denn nach spezi-
ellen Außenräumen zu suchen. Zwei von denen, die man fand, besaßen eine
derart gute Akustik, daß man sich auf eine Situation von einiger Dauer
einrichtete (siehe unten). Dies um so mehr, als klar wurde, daß der im
Grunde so überaus ersehnte Sendesaalausbau des kriegszerstörten ehema-
ligen Gemeinschaftsraumes im Gebäudeteil Mettestraße, das Studio 7,
bereits bei seiner Betriebsübergabe am 10. November 1950 den sprunghaft
gestiegenen Klangansprüchen nicht mehr auf allen Gebieten gewachsen war.
(Hervorgehoben werden muß hier allerdings unbedingt, daß die Regie die
erste deutsche stereofähige Studioeinrichtung besaß, und das konzipiert
ca. 1949/1950! Das einzige, was hierzu fehlte, waren die entsprechenden
Bandmaschinen.) Wie schon angedeutet, wurde das Studio nicht für alle
Bereiche eingesetzt, in der Klassik z. B. kaum bei größeren Besetzungen.
Aber für Kammermusik, mittlere Ensembles und Chöre benutzte man es, und
dies sogar ziemlich oft. Doch spätestens ab Mai 1966 stellte man auch
diese Produktion ein: Den Anlaß bildete der Baulärm der in Gang gekom-
menen Funkhauserweiterung (vgl. unten), er ließ derartige diffizile
Aufnahmen nicht mehr zu. Heute dient Studio 7 insbesondere der U- und
Tanzmusik.
RR Studio 7: rd. 1800 cbm (Mehrzweckraum, rechteckiger Gundriß, seitlich
abgeschrägte Decke, eine Längsseite mit Doppelfenstern), 1,2 bis 1,6
sec/Q 1951 (variable Akustik u. a. durch Vorhänge), ca. 270 Sitz-
plätze (Bedarfsbestuhlung, keine Empore). Inneraumfotos: Posniker,
1951 (u. a. in Richtung Rückwand); Dippner/Zemke, 1953 (in Richtung
Podium).
Mehr als zwei Jahrzehnte sollten nach der Inbetriebnahme des Studios
7 verstreichen, bis endlich ein moderner, den Anforderungen genügender
Sendesaal, das Studio 10, erstellt werden konnte. Untergebracht ist er
in dem oben angesprochenen Erweiterungsanbau (Eingang: Fritz-Elsas-
Straße 8). Studio 10, das nach extrem langer und umständlicher Bauzeit
am 13. September 1972 eingeweiht wurde, ist einer der jüngsten westdeut-
schen Funksäle. Ein besonders außergewöhnliches Feature dürfte die
Spannbreite der Nachhallzeitveränderung sein (siehe unten). Als simple
und alte Technik dienen hierzu Vorhänge.
RR Studio 10: rd. 4500 cbm (Mehrzweckraum, konusförmige Grundfläche),
1,9 bis 3,8 sec/Q 1972, großes Sinfonieorchester mit Chor, ca. 250
Sitzplätze (Bedarfsbestuhlung, keine Empore). Innenraumfoto (Aus-
schnitt): RIAS Quartal, 4/1972.
Einer der Außenräume, die als reine Probe- bzw. Produktionsstätten
das Funkhaus lange Zeit zu begleiten hatten, war der Theatersaal der
Siemens-Villa in Lankwitz (Gärtnerstraße 25-32, damals lange Zeit auch
Sitz der Lateinamerikanischen Bibliothek). Hier im sogenannten Studio
Lankwitz entstanden von 1948 bis zur Ablösung durch Studio 10 im Jahr
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1972 zahllose Aufnahmen, wobei man anmerken sollte, daß sich wegen des
Fluglärms, der vom Zentralflughafen Tempelhof ausging, die Aufnahme-
produktion häufig genug sehr schwierig und umständlich gestaltete. Doch
trotzalledem nutzte auch die Schallplattenindustrie, so z. B. Telefun-
ken, den Raum, und dies auch weiterhin. (Nebenbei sei noch vermerkt, daß
in der Villa seit einigen Jahren das Musikarchiv der Deutschen Biblio-
thek untergebracht ist.)
RR Studio Lankwitz: rd. 3300 cbm (Mehrzweckraum, rechteckige Grund-
fläche, Glastüren), 2,05 sec (!)/Q 1956, mittleres bis großes Sinfo-
nieorchester, Bedarfsbestuhlung. Innenraumfotos (Ausschnitte): RIAS
Quartal, 1/1972.
Zu den ebenfalls 1948 erschlossenen Räumen zählt die auch heute noch
für Aufnahmen eingesetzte Jesus-Christus-Kirche in Dahlem, Hittorfstraße
23 (Ecke Faradayweg, in historischen RIAS-Dokumenten offenbar durchweg:
Hittorfstraße 21), nahe dem Thielplatz (Thielpark), bezirksamtlich zu
Zehlendorf gehörend, deshalb auch in manchen Begleitinformationen das
vielleicht etwas irritierende "Zehlendorf". In dieser am 20. Dezember
1932 - kurz vor dem sich zusammenbrauenden Unheil - eingeweihten Kirche,
die, wie es heißt, der RIAS-Toningenieur Heinz Opitz akustisch endeckt
hat und die früher gern mit dem Terminus "Studio Jesus-Christus-Kirche"
bedacht worden war, ist ein ganzes Kapitel deutscher Aufnahmengeschichte
geschrieben worden. Furtwängler und von Karajan, einst unter dem einen
Kreuz, dann unter diesem Kreuz, was auch immer dirigierend, welche
Gedanken mögen in ihnen herumgegeistert sein?
Glücklicherweise blieb von der frühen Produktion etliches erhalten.
Genutzt wurde der Raum im Laufe der Zeit nicht nur vom RIAS, sondern
auch von den Anstalten NWDR Berlin und SFB, und darüber hinaus auch von
privaten Produzenten wie der Deutschen Grammophon (nicht zuletzt hierauf
gründet sich die aufnahmengeschichtliche Bedeutung der Kirche, vgl.
Hauptteil). Die stärkste Ausbuchung ergab sich in den 50er Jahren, als
das Radio-Symphonie-Orchester Berlin (vormals RIAS-Symphonie-Orchester)
in der Kirche praktisch zu Hause war, und daneben - allerdings von 1954
an nicht mehr so häufig - auch die Berliner Philharmoniker dort Aufnah-
mesitzungen absolvierten. In den 60er Jahren verlor der Rundfunk - ganz
im Gegensatz zur Schallplattenindustrie - diese Aufnahmemöglichkeit aus
den Augen, doch aus aktueller Raumnot heraus erinnerte man sich beim
RIAS an die "einmalig gute Akustik" und begann dort im Mai 1978 wieder
mit der Produktion (vgl. RIAS Quartal 1/1982). Leider wirft auch hier
die Außengeräuschsituation einige Probleme auf.
Dem Namen Opitz im RIAS-Archiv zu begegnen, ist kein schwieriges
Unterfangen. Die Karteikarten helfen da allerdings nicht weiter - sie
verzeichnen keine Techniker -, wohl aber die Aufklebeformulare vieler
Bandkartons. Beispiele: Histoire du soldat/Konzertsuite/Maazel wurde von
Opitz in der Hochschule für Musik aufgenommen (mono, 1959); aus der
Philharmonie stammen die Stereoaufnahmen Psalmensinfonie/Matacic (1969)
und Feuervogel Suite/Böhm (1971).
RR Jesus-Christus-Kirche: rd. 10000 cbm (Kuhl, 1954 u. a.; Dippner/
Zemke, 1953: 13000 cbm), 2,75 sec/Q 1956 (2,15 sec/Q 1953; 2,45/Q
1978, Messung von 1977), großes Sinfonieorchester mit Chor. Innen-
raumfoto (Ausschnitt): RIAS Quartal, 1/1982 (Außenfoto ebenda).
Mit diesen Außenlokalitäten ist das Raumrepertoire des RIAS nicht im
entferntesten vollständig umrissen. Große Bedeutung - und das gilt für
den SFB ebenso - hat auch der schon oben im Zusammenhang mit dem
Titania-Palast erwähnte große Konzertsaal der Hochschule für Musik (seit
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Mitte der 70er Jahre: Hochschule der Künste), Hardenbergstraße 33/Ecke
Fasanenstraße, in Charlottenburg. Am 28. Februar 1954 eingeweiht, fun-
gierte er bis zur Eröffnung der Philharmonie am 15. Oktober 1963 den
Berliner Philharmonikern als Arbeits- und Konzertstätte.
RR Hochschule für Musik/Konzertsaal: rd. 9600 cbm (ein vom Podium her
sich stromlinienförmig öffnender Raum, rechteckähnliche Grundfläche,
in Ranghöhe jedoch eher ein langgestrecktes Sechseck), 1,85 sec/Q
1954 und 1956 (2,0 sec/Q 1958), großes Sinfonieorchester mit Chor,
ca. 1363 Sitzplätze (Parkett leicht ansteigend, U-Rang). Innenraum-
fotos: Luckhardt, 1954; Winckel, 1954; Gabler, 1954; Theil, 1959.
RR Berliner Philharmonie: rd. 24500 cbm ("Talform" bzw. zirkusähnliche
Anlage), 2,4 sec/Q 1964 (2,0 sec/Q 1972, Messung von 1971), großes
Sinfonieorchester mit Chor, ca. 2230 Sitzplätze (um den Orchester-
platz zentrierte, unregelmäßig angeordnete "Weinbergstufen"). Innen-
raumfotos: Musica, 6/1963; Docker, 1964; Cremer, 1965.
Abbildungen
Konzertsaal der HfM, Philharmonie etc.:
Grund-, Aufrisse, Fotos
vgl. Literaturverzeichnis (fehlt noch)
Seit dem 22. November 1976 gibt es den Theatersaal des Fontane-Hauses
im Märkischen Viertel, Wilhelmsruher Damm 142c (am Marktplatz). Für
neuere Kammermusik wird verhältnismäßig oft der seit dem 15. Dezember
1978 zur Verfügung stehende Otto-Braun-Saal eingesetzt; er befindet sich
in der Staatsbibliothek Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Potsdamer
Straße 35. Vor allem aber dienen bzw. dienten neben der Jesus-Christus-
Kirche zahlreiche andere Kirchen als Aufzeichnungstätten, eine der
bekanntesten ist die Grunewaldkirche, Bismarckallee/Ecke Furtwängler-
straße. Hier entstand übrigens 1957 für Electrola die erste deutsche
stereophone Schallplattenaufnahme (vgl. Hauptteil).
3) RIAS-Ensembles, Radio-Symphonie-Orchester Berlin, RIAS stellt vor,
"Pantographie"
Etlichen Schwierigkeiten zum Trotz hat sich der RIAS immer wieder um
eigene Chor- und Orchesterarbeit bemüht. Dies erstaunt umsomehr, wenn
man bedenkt, mit welch knappen Geldmitteln der Sender ohne Fernsehen und
ohne direkte Einnahmen aus Rundfunkgebühren hantieren muß. Eine Bemer-
kung zur nachfolgenden Stichwortauflistung: Vom RIAS-Kammerorchester ist
keine Strawinsky-Aufnahme überliefert, wohl aber vom "Nachfolger", dem
von Karl Ristenpart 1953 aufgebauten Saarländischen Kammerorchester.
OO RIAS-Kammerorchester. Erstes RIAS-Orchester, entstanden ungefähr
September 1946, aufgelöst 1953; Gründer und bis 1953 auch Leiter:
Karl Ristenpart (zur RIAS Sinfonietta vgl. unten).
CC RIAS-Kammerchor. Im September 1946 erste improvisierte Anfänge,
initiiert von Karl Ristenpart; eigentliche Gründung 1948 durch
Herbert Froitzheim (Leiter bis 1954); nachfolgende Dirigenten:
Günther Arndt (1955-1972), Uwe Gronostay (ab Mai 1972); von ca. 1953
bis ca. 1962 34 Mitglieder, danach bis ca. 1971 40, auch 44 Mit-
glieder (Besetzungsverhältnisse unbekannt), seit ca. 1971 ungefähr 37
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Mitglieder (Verhältnis SA zu TB bei voller Besetzung etwa 21 zu 16
oder 22 zu 15, 1950 noch 11 zu 6!).
OO Radio-Symphonie-Orchester Berlin. Gegründet am 15. November 1946 als
RIAS-Symphonie-Orchester, Aufbau durch Walter Sieber, stellvertre-
tender Dirigent: Karl Ristenpart, erstes öffentliches Konzert am 7.
September 1947; nach der im Jahr 1953 erfolgten Einstellung der ame-
rikanischen Schirmherrschaft Gründung der Gesellschaft "Radio-
Symphonie-Orchester Berlin" (Orchester tritt erst seit 1956 unter
diesem Namen auf), Zusammenarbeit mit RIAS und SFB auf Vertragsbasis,
beide Anstalten gehören überdies seit 1977 zu den Gesellschaftern;
Chefdirigent ab Dezember 1948 (nicht 1949): Ferenc Fricsay (erstes
Konzert am 12. Dezember im Titania-Palast), verließ das Orchester
1955 (nicht 1954), erneut Chefdirigent von 1959 (nicht 1960) bis
1963, danach Lorin Maazel (1964 [nicht 1965] bis 1975), Riccardo
Chailly (seit 1982).
OO RIAS-Jugendorchester. Im Februar 1949 begonnen als RIAS-Schulfunk-
orchester, 1955 umbenannt zu RIAS-Jugendorchester, Gründer und bis
1965 Dirigent: Willy Hannuschke; weitere Dirigenten: Adalbert
Heinisch (1965-1971), Caspar Richter (1972-1976), Wolfgang Balzer
(1976-1977), Karl-Heinz Bloemeke (1977-1979), danach diverse.
OO RIAS-Sinfonietta Berlin. Wiederauflage des einstigen RIAS-Kammer-
orchesters, Kernensemble aus ca. 18 Streichern bestehend (Mitglieder
des Radio-Symphonie-Orchesters Berlin); 1976 gegründet, Aufbau durch
Jiri Stárek (Leiter von 1976 bis 1980), erstes großes Konzert vgl.
Pulcinella-Ballett; nach Stárek ohne einen ständigen Dirigenten, zur
Zeit findet sich die Sinfonietta nur noch sporadisch zusammen.
Ein besonderes Anliegen des RIAS ist die Unterstützung und Förderung
von Nachwuchstalenten. Hierzu unterhält er z. B. das RIAS-Jugendor-
chester. Auch dient die 1959 begonnene Konzertreihe "RIAS stellt vor"
sehr häufig diesem Zweck. Seit jüngster Zeit versucht der RIAS, auch der
Jungen Deutschen Philharmonie hilfreich zur Seite zu stehen (vgl.
Deutschlandfunk).
Wie die Liste unten deutlich macht, ist die Skizzierung eines RIAS-
Umrisses mit Hilfe von Strawinsky-Bändern gar nicht so lückenhaft.
Natürlich ist aus der Frühzeit kaum ein Dokument zu erwarten. Bandauf-
nahmen von klassischer Musik waren eher die Ausnahme als die Regel, und
erhalten gebliebene, abspielbare Folien sind absolute Raritäten. Ohnehin
waren wohl die allermeisten Programmausstrahlungen Live-Darbietungen
oder Schallplattenwiedergaben (wobei unter den Schallplatten amerika-
nische 40 cm Transcriptions - mit etlichen Strawinsky-Aufnahmen im
Katalog - die dominierende Rolle spielten; auch befinden sich im RIAS-
Archiv höchst seltene Platten früher US-Nachkriegs-Labels, darunter die
LP Dial 10 mit den Berceuses du chat, gesungen von Arline Carmen; Dial
war das berühmte, von Ross Russell betriebene "Charlie-Parker-Etikett",
zu all dem vgl. Hauptteil).
Was die chronologische Studionachzeichnung angeht, so hätte sie
besser ausfallen können, wenn nicht auf manchen ganz frühen, zettelarti-
gen Karteinachweisen - rosa Durchschläge im sogenannten Kapselformat -
die Ortsangaben fehlten. So z. B. zum Oktett, dem ältesten Strawinsky-
Band des RIAS. In Frage kommen eigentlich nur der Kleistsaal und die
Jesus-Christus-Kirche. Ebenfalls ohne Angabe sind: Walter Hauck, eine
Bariton-Aufname (!) von Faun und Schäferin (1951), und Mascia Predit mit
einer ganzen Reihe von Liedern, darunter die wohl einzige ausgesonderte
Aufnahme des Hochzeitsliedes aus Les noces (1951). Manches deutet bei
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beiden Produktionseinheiten auf Studio 7 hin. Das Außenstudio Lankwitz
taucht in der Liste mit erheblicher Verspätung auf. Um die hohe Benut-
zungsfrequenz etwas deutlicher zu machen, ist deshalb die nächstfolgende
Produktion mitaufgeführt.
[Anmerkung: Die fehlenden Angaben zu den hier genannten Aufnahmen
liegen mittlerweile vor.]
Es darf nicht versäumt werden, auf das überaus wichtige Craft-Konzert
von 1969 hinzuweisen. Hier kamen für spätere Editionsprojekte sehr wich-
tige Quellenmitschnitte zustande (Les noces-Fragmente, vgl. auch Haupt-
teil).
Monat/Jahr Aspekt Aufnahme
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10/1949 Jesus-Christus-Kirche (?), Octuor/RIAS-Aufnahme
Kleistsaal (?)
3/1950 a) Titania-Palast Orpheus/Solti
b) RIAS-Symphonie-Orchester
7/1950 Kleistsaal Tango, Serenade/Mewton-
Wood (Piano-rag-music
gelöscht)
1/1951 a) Jesus-Christus-Kirche* Symphonie de psaumes
b) RIAS-Kammerchor (bzw. Pétrouchka)/Fricsay
5/1951 Berliner Philharmoniker* Le sacre du printemps/
Ansermet
2/1953 Studio 7 Circus polka/Földes
11/1954 Studio Lankwitz Septet 1953/RIAS-Aufnahme
12/1954 Studio Lankwitz Le baiser de la fée/Bal-
lade etc.: Zsigmondy
3/1956** a) Hochschule für Musik/Kon- Chant du rossignol/Maazel
zertsaal
b) Radio-Symphonie-Orchester
Berlin
3/1959 Hochschule für Musik/Kon- Histoire du soldat/Kon-
zertsaal zertsuite/Maazel
6/1969 a) Frühester Strawinsky-Nachweis Symphonie de psaumes/
einer Stereo-Eigenproduktion von Matacic
b) Philharmonie
10/1969 a) Les noces Fragmente vgl. Dokumente: 1969
b) Crafts drittes Konzert in Berlin
Berlin***
c) Berliner Festwochen
1/1973 Studio 10 In memoriam Dylan Thomas/
Richter
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*Frühere Aufnahme vgl. SFB 3/1950 (Aufnahme des NWDR Berlin) **Stand-
ort des Bandes: SFB ***Vgl. SFB
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[rias]
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